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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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noch der Stelle, wo ich sie zuerst vernahm;
es war in dem Hofe der Pleißenburg, nicht
weit von der kleinen Pforte, durch die man
zu Oeser hinaufzusteigen pflegte. Es kam mir
ein Mitschüler entgegen, sagte mir, daß Oeser
nicht zu sprechen sey, und die Ursache warum.
Dieser ungeheuere Vorfall that eine ungeheuere
Wirkung; es war ein allgemeines Jammern
und Wehklagen, und sein frühzeitiger Tod
schärfte die Aufmerksamkeit auf den Werth
seines Lebens. Ja vielleicht wäre die Wir¬
kung seiner Thätigkeit, wenn er sie auch bis
in ein höheres Alter fortgesetzt hätte, nicht
so groß gewesen, als sie jetzt werden mußte,
da er, wie mehrere außerordentliche Menschen,
auch noch durch ein seltsames und widerwär¬
tiges Ende vom Schicksal ausgezeichnet worden.

Indem ich nun aber Winkelmanns Ab¬
scheiden grenzenlos beklagte, so dachte ich nicht,
daß ich mich bald in dem Falle befinden wür¬
de, für mein eignes Leben besorgt zu seyn:

noch der Stelle, wo ich ſie zuerſt vernahm;
es war in dem Hofe der Pleißenburg, nicht
weit von der kleinen Pforte, durch die man
zu Oeſer hinaufzuſteigen pflegte. Es kam mir
ein Mitſchuͤler entgegen, ſagte mir, daß Oeſer
nicht zu ſprechen ſey, und die Urſache warum.
Dieſer ungeheuere Vorfall that eine ungeheuere
Wirkung; es war ein allgemeines Jammern
und Wehklagen, und ſein fruͤhzeitiger Tod
ſchaͤrfte die Aufmerkſamkeit auf den Werth
ſeines Lebens. Ja vielleicht waͤre die Wir¬
kung ſeiner Thaͤtigkeit, wenn er ſie auch bis
in ein hoͤheres Alter fortgeſetzt haͤtte, nicht
ſo groß geweſen, als ſie jetzt werden mußte,
da er, wie mehrere außerordentliche Menſchen,
auch noch durch ein ſeltſames und widerwaͤr¬
tiges Ende vom Schickſal ausgezeichnet worden.

Indem ich nun aber Winkelmanns Ab¬
ſcheiden grenzenlos beklagte, ſo dachte ich nicht,
daß ich mich bald in dem Falle befinden wuͤr¬
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[280/0288] noch der Stelle, wo ich ſie zuerſt vernahm; es war in dem Hofe der Pleißenburg, nicht weit von der kleinen Pforte, durch die man zu Oeſer hinaufzuſteigen pflegte. Es kam mir ein Mitſchuͤler entgegen, ſagte mir, daß Oeſer nicht zu ſprechen ſey, und die Urſache warum. Dieſer ungeheuere Vorfall that eine ungeheuere Wirkung; es war ein allgemeines Jammern und Wehklagen, und ſein fruͤhzeitiger Tod ſchaͤrfte die Aufmerkſamkeit auf den Werth ſeines Lebens. Ja vielleicht waͤre die Wir¬ kung ſeiner Thaͤtigkeit, wenn er ſie auch bis in ein hoͤheres Alter fortgeſetzt haͤtte, nicht ſo groß geweſen, als ſie jetzt werden mußte, da er, wie mehrere außerordentliche Menſchen, auch noch durch ein ſeltſames und widerwaͤr¬ tiges Ende vom Schickſal ausgezeichnet worden. Indem ich nun aber Winkelmanns Ab¬ ſcheiden grenzenlos beklagte, ſo dachte ich nicht, daß ich mich bald in dem Falle befinden wuͤr¬ de, fuͤr mein eignes Leben beſorgt zu ſeyn:

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/288>, abgerufen am 22.11.2024.