stellte mich vor und ich durfte nicht lange auf¬ merken, so fand ich, daß es auf Mystifica¬ tion eines jungen Menschen hinausgehe, der als ein Neuling sich durch ein vorlautes, an¬ maßliches Wesen auszeichnete: ich nahm mich daher gar sehr in Acht, daß man nicht etwa Lust finden möchte, mich zu seinem Gefähr¬ ten auszuersehen. Bey Tische ward jene Ab¬ sicht Jedermann deutlicher, nur nicht ihm. Man zechte immer stärker, und als man zuletzt sei¬ ner Geliebten zu Ehren gleichfalls ein Vivat angestimmt; so schwur jeder hoch und theuer, aus diesen Gläsern dürfe nun weiter kein Trunk geschehen; man warf sie hinter sich, und dieß war das Signal zu weit größeren Thorheiten. Endlich entzog ich mich ganz sachte, und der Kellner, indem er mir eine sehr billige Zeche abforderte, ersuchte mich wiederzukommen, da es nicht alle Abende so bunt hergehe. Ich hatte weit in mein Quar¬ tier, und es war nah an Mitternacht als ich es erreichte. Die Thüren fand ich unver¬
ſtellte mich vor und ich durfte nicht lange auf¬ merken, ſo fand ich, daß es auf Myſtifica¬ tion eines jungen Menſchen hinausgehe, der als ein Neuling ſich durch ein vorlautes, an¬ maßliches Weſen auszeichnete: ich nahm mich daher gar ſehr in Acht, daß man nicht etwa Luſt finden moͤchte, mich zu ſeinem Gefaͤhr¬ ten auszuerſehen. Bey Tiſche ward jene Ab¬ ſicht Jedermann deutlicher, nur nicht ihm. Man zechte immer ſtaͤrker, und als man zuletzt ſei¬ ner Geliebten zu Ehren gleichfalls ein Vivat angeſtimmt; ſo ſchwur jeder hoch und theuer, aus dieſen Glaͤſern duͤrfe nun weiter kein Trunk geſchehen; man warf ſie hinter ſich, und dieß war das Signal zu weit groͤßeren Thorheiten. Endlich entzog ich mich ganz ſachte, und der Kellner, indem er mir eine ſehr billige Zeche abforderte, erſuchte mich wiederzukommen, da es nicht alle Abende ſo bunt hergehe. Ich hatte weit in mein Quar¬ tier, und es war nah an Mitternacht als ich es erreichte. Die Thuͤren fand ich unver¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0271"n="263"/>ſtellte mich vor und ich durfte nicht lange auf¬<lb/>
merken, ſo fand ich, daß es auf Myſtifica¬<lb/>
tion eines jungen Menſchen hinausgehe, der<lb/>
als ein Neuling ſich durch ein vorlautes, an¬<lb/>
maßliches Weſen auszeichnete: ich nahm mich<lb/>
daher gar ſehr in Acht, daß man nicht etwa<lb/>
Luſt finden moͤchte, mich zu ſeinem Gefaͤhr¬<lb/>
ten auszuerſehen. Bey Tiſche ward jene Ab¬<lb/>ſicht Jedermann deutlicher, nur nicht ihm. Man<lb/>
zechte immer ſtaͤrker, und als man zuletzt ſei¬<lb/>
ner Geliebten zu Ehren gleichfalls ein Vivat<lb/>
angeſtimmt; ſo ſchwur jeder hoch und theuer,<lb/>
aus dieſen Glaͤſern duͤrfe nun weiter kein<lb/>
Trunk geſchehen; man warf ſie hinter ſich,<lb/>
und dieß war das Signal zu weit groͤßeren<lb/>
Thorheiten. Endlich entzog ich mich ganz<lb/>ſachte, und der Kellner, indem er mir eine<lb/>ſehr billige Zeche abforderte, erſuchte mich<lb/>
wiederzukommen, da es nicht alle Abende ſo<lb/>
bunt hergehe. Ich hatte weit in mein Quar¬<lb/>
tier, und es war nah an Mitternacht als ich<lb/>
es erreichte. Die Thuͤren fand ich unver¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[263/0271]
ſtellte mich vor und ich durfte nicht lange auf¬
merken, ſo fand ich, daß es auf Myſtifica¬
tion eines jungen Menſchen hinausgehe, der
als ein Neuling ſich durch ein vorlautes, an¬
maßliches Weſen auszeichnete: ich nahm mich
daher gar ſehr in Acht, daß man nicht etwa
Luſt finden moͤchte, mich zu ſeinem Gefaͤhr¬
ten auszuerſehen. Bey Tiſche ward jene Ab¬
ſicht Jedermann deutlicher, nur nicht ihm. Man
zechte immer ſtaͤrker, und als man zuletzt ſei¬
ner Geliebten zu Ehren gleichfalls ein Vivat
angeſtimmt; ſo ſchwur jeder hoch und theuer,
aus dieſen Glaͤſern duͤrfe nun weiter kein
Trunk geſchehen; man warf ſie hinter ſich,
und dieß war das Signal zu weit groͤßeren
Thorheiten. Endlich entzog ich mich ganz
ſachte, und der Kellner, indem er mir eine
ſehr billige Zeche abforderte, erſuchte mich
wiederzukommen, da es nicht alle Abende ſo
bunt hergehe. Ich hatte weit in mein Quar¬
tier, und es war nah an Mitternacht als ich
es erreichte. Die Thuͤren fand ich unver¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/271>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.