Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

rend erfahren müsse. Wenn wir ihn nun
hierüber äußerst ausschalten und zur Rede
setzten, so versicherte er, hinter diesen Worten
stecke ein großes Geheimniß, das wir alsdenn
erst begreifen würden, wenn wir erfahren
hätten, -- und immer so weiter: denn es ko¬
stete ihm nichts, Viertelstunden lang so fortzu¬
sprechen; da denn das Erfahren immer erfahr¬
ner und zuletzt zur wahrhaften Erfahrung
werden würde. Wollten wir über solche Pos¬
sen verzweifeln, so betheuerte er, daß er die¬
se Art sich deutlich und eindrücklich zu machen,
von den neusten und größten Schriftstellern
gelernt, welche uns aufmerksam gemacht, wie
man eine ruhige Ruhe ruhen und wie die
Stille im Stillen immer stiller werden könnte.

Zufälliger Weise rühmte man in guter
Gesellschaft einen Officier, der sich unter uns
auf Urlaub befand, als einen vorzüglich wohl¬
denkenden und erfahrnen Mann, der den sie¬
benjährigen Krieg mitgefochten und sich ein

rend erfahren muͤſſe. Wenn wir ihn nun
hieruͤber aͤußerſt ausſchalten und zur Rede
ſetzten, ſo verſicherte er, hinter dieſen Worten
ſtecke ein großes Geheimniß, das wir alsdenn
erſt begreifen wuͤrden, wenn wir erfahren
haͤtten, — und immer ſo weiter: denn es ko¬
ſtete ihm nichts, Viertelſtunden lang ſo fortzu¬
ſprechen; da denn das Erfahren immer erfahr¬
ner und zuletzt zur wahrhaften Erfahrung
werden wuͤrde. Wollten wir uͤber ſolche Poſ¬
ſen verzweifeln, ſo betheuerte er, daß er die¬
ſe Art ſich deutlich und eindruͤcklich zu machen,
von den neuſten und groͤßten Schriftſtellern
gelernt, welche uns aufmerkſam gemacht, wie
man eine ruhige Ruhe ruhen und wie die
Stille im Stillen immer ſtiller werden koͤnnte.

Zufaͤlliger Weiſe ruͤhmte man in guter
Geſellſchaft einen Officier, der ſich unter uns
auf Urlaub befand, als einen vorzuͤglich wohl¬
denkenden und erfahrnen Mann, der den ſie¬
benjaͤhrigen Krieg mitgefochten und ſich ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0232" n="224"/>
rend erfahren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Wenn wir ihn nun<lb/>
hieru&#x0364;ber a&#x0364;ußer&#x017F;t aus&#x017F;chalten und zur Rede<lb/>
&#x017F;etzten, &#x017F;o ver&#x017F;icherte er, hinter die&#x017F;en Worten<lb/>
&#x017F;tecke ein großes Geheimniß, das wir alsdenn<lb/>
er&#x017F;t begreifen wu&#x0364;rden, wenn wir erfahren<lb/>
ha&#x0364;tten, &#x2014; und immer &#x017F;o weiter: denn es ko¬<lb/>
&#x017F;tete ihm nichts, Viertel&#x017F;tunden lang &#x017F;o fortzu¬<lb/>
&#x017F;prechen; da denn das Erfahren immer erfahr¬<lb/>
ner und zuletzt zur wahrhaften Erfahrung<lb/>
werden wu&#x0364;rde. Wollten wir u&#x0364;ber &#x017F;olche Po&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en verzweifeln, &#x017F;o betheuerte er, daß er die¬<lb/>
&#x017F;e Art &#x017F;ich deutlich und eindru&#x0364;cklich zu machen,<lb/>
von den neu&#x017F;ten und gro&#x0364;ßten Schrift&#x017F;tellern<lb/>
gelernt, welche uns aufmerk&#x017F;am gemacht, wie<lb/>
man eine ruhige Ruhe ruhen und wie die<lb/>
Stille im Stillen immer &#x017F;tiller werden ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
        <p>Zufa&#x0364;lliger Wei&#x017F;e ru&#x0364;hmte man in guter<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft einen Officier, der &#x017F;ich unter uns<lb/>
auf Urlaub befand, als einen vorzu&#x0364;glich wohl¬<lb/>
denkenden und erfahrnen Mann, der den &#x017F;ie¬<lb/>
benja&#x0364;hrigen Krieg mitgefochten und &#x017F;ich ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0232] rend erfahren muͤſſe. Wenn wir ihn nun hieruͤber aͤußerſt ausſchalten und zur Rede ſetzten, ſo verſicherte er, hinter dieſen Worten ſtecke ein großes Geheimniß, das wir alsdenn erſt begreifen wuͤrden, wenn wir erfahren haͤtten, — und immer ſo weiter: denn es ko¬ ſtete ihm nichts, Viertelſtunden lang ſo fortzu¬ ſprechen; da denn das Erfahren immer erfahr¬ ner und zuletzt zur wahrhaften Erfahrung werden wuͤrde. Wollten wir uͤber ſolche Poſ¬ ſen verzweifeln, ſo betheuerte er, daß er die¬ ſe Art ſich deutlich und eindruͤcklich zu machen, von den neuſten und groͤßten Schriftſtellern gelernt, welche uns aufmerkſam gemacht, wie man eine ruhige Ruhe ruhen und wie die Stille im Stillen immer ſtiller werden koͤnnte. Zufaͤlliger Weiſe ruͤhmte man in guter Geſellſchaft einen Officier, der ſich unter uns auf Urlaub befand, als einen vorzuͤglich wohl¬ denkenden und erfahrnen Mann, der den ſie¬ benjaͤhrigen Krieg mitgefochten und ſich ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/232
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/232>, abgerufen am 24.11.2024.