Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

nahm die Sache streng, und indem er das
Parodistische, was denn doch in dem Einfall
lag, gar nicht beachtete, so erklärte er den
großen Aufwand von göttlichen Mitteln zu
einem so geringen menschlichen Zweck für
äußerst tadelnswerth, verwies den Gebrauch
und Misbrauch solcher mythologischen Figuren
als eine falsche, aus pedantischen Zeiten sich
herschreibende Gewohnheit, fand den Aus¬
druck bald zu hoch, bald zu niedrig, und hat¬
te zwar im Einzelnen der rothen Dinte nicht
geschont, versicherte jedoch, daß er noch zu
wenig gethan habe.

Solche Stücke wurden zwar anonym vor¬
gelesen und recensirt; allein man paßte ein¬
ander auf, und es blieb kein Geheimniß, daß
diese verunglückte Götterversammlung mein
Wert gewesen sey. Da mir jedoch seine Kri¬
tik, wenn ich seinen Standpunct annahm,
ganz richtig zu seyn schien, und jene Gott¬
heiten, näher besehen, freylich nur hohle

nahm die Sache ſtreng, und indem er das
Parodiſtiſche, was denn doch in dem Einfall
lag, gar nicht beachtete, ſo erklaͤrte er den
großen Aufwand von goͤttlichen Mitteln zu
einem ſo geringen menſchlichen Zweck fuͤr
aͤußerſt tadelnswerth, verwies den Gebrauch
und Misbrauch ſolcher mythologiſchen Figuren
als eine falſche, aus pedantiſchen Zeiten ſich
herſchreibende Gewohnheit, fand den Aus¬
druck bald zu hoch, bald zu niedrig, und hat¬
te zwar im Einzelnen der rothen Dinte nicht
geſchont, verſicherte jedoch, daß er noch zu
wenig gethan habe.

Solche Stuͤcke wurden zwar anonym vor¬
geleſen und recenſirt; allein man paßte ein¬
ander auf, und es blieb kein Geheimniß, daß
dieſe verungluͤckte Goͤtterverſammlung mein
Wert geweſen ſey. Da mir jedoch ſeine Kri¬
tik, wenn ich ſeinen Standpunct annahm,
ganz richtig zu ſeyn ſchien, und jene Gott¬
heiten, naͤher beſehen, freylich nur hohle

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0218" n="210"/>
nahm die Sache &#x017F;treng, und indem er das<lb/>
Parodi&#x017F;ti&#x017F;che, was denn doch in dem Einfall<lb/>
lag, gar nicht beachtete, &#x017F;o erkla&#x0364;rte er den<lb/>
großen Aufwand von go&#x0364;ttlichen Mitteln zu<lb/>
einem &#x017F;o geringen men&#x017F;chlichen Zweck fu&#x0364;r<lb/>
a&#x0364;ußer&#x017F;t tadelnswerth, verwies den Gebrauch<lb/>
und Misbrauch &#x017F;olcher mythologi&#x017F;chen Figuren<lb/>
als eine fal&#x017F;che, aus pedanti&#x017F;chen Zeiten &#x017F;ich<lb/>
her&#x017F;chreibende Gewohnheit, fand den Aus¬<lb/>
druck bald zu hoch, bald zu niedrig, und hat¬<lb/>
te zwar im Einzelnen der rothen Dinte nicht<lb/>
ge&#x017F;chont, ver&#x017F;icherte jedoch, daß er noch zu<lb/>
wenig gethan habe.</p><lb/>
        <p>Solche Stu&#x0364;cke wurden zwar anonym vor¬<lb/>
gele&#x017F;en und recen&#x017F;irt; allein man paßte ein¬<lb/>
ander auf, und es blieb kein Geheimniß, daß<lb/>
die&#x017F;e verunglu&#x0364;ckte Go&#x0364;tterver&#x017F;ammlung mein<lb/>
Wert gewe&#x017F;en &#x017F;ey. Da mir jedoch &#x017F;eine Kri¬<lb/>
tik, wenn ich &#x017F;einen Standpunct annahm,<lb/>
ganz richtig zu &#x017F;eyn &#x017F;chien, und jene Gott¬<lb/>
heiten, na&#x0364;her be&#x017F;ehen, freylich nur hohle<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0218] nahm die Sache ſtreng, und indem er das Parodiſtiſche, was denn doch in dem Einfall lag, gar nicht beachtete, ſo erklaͤrte er den großen Aufwand von goͤttlichen Mitteln zu einem ſo geringen menſchlichen Zweck fuͤr aͤußerſt tadelnswerth, verwies den Gebrauch und Misbrauch ſolcher mythologiſchen Figuren als eine falſche, aus pedantiſchen Zeiten ſich herſchreibende Gewohnheit, fand den Aus¬ druck bald zu hoch, bald zu niedrig, und hat¬ te zwar im Einzelnen der rothen Dinte nicht geſchont, verſicherte jedoch, daß er noch zu wenig gethan habe. Solche Stuͤcke wurden zwar anonym vor¬ geleſen und recenſirt; allein man paßte ein¬ ander auf, und es blieb kein Geheimniß, daß dieſe verungluͤckte Goͤtterverſammlung mein Wert geweſen ſey. Da mir jedoch ſeine Kri¬ tik, wenn ich ſeinen Standpunct annahm, ganz richtig zu ſeyn ſchien, und jene Gott¬ heiten, naͤher beſehen, freylich nur hohle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/218
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/218>, abgerufen am 22.11.2024.