Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

war einer von den Menschen, die eine ganz
besondere Gabe haben, die Zeit zu verderben,
oder vielmehr die aus Nichts Etwas zu ma¬
chen wissen, um sie zu vertreiben. Alles was
er that, mußte mit Langsamkeit und einem
gewissen Anstand geschehen, den man affectirt
hätte nennen können, wenn Behrisch nicht
schon von Natur etwas Affectirtes in seiner
Art gehabt hätte. Er ähnelte einem alten
Franzosen, auch sprach und schrieb er sehr
gut und leicht Französisch. Seine größte Lust
war, sich ernsthaft mit possenhaften Dingen
zu beschäftigen und irgend einen albernen Ein¬
fall bis ins Unendliche zu verfolgen. So
trug er sich beständig grau, und weil die ver¬
schiedenen Theile seines Anzugs von verschie¬
denen Zeugen, und also auch Schattirungen
waren; so konnte er Tage lang darauf sinnen,
wie er sich noch ein Grau mehr auf den Leib
schaffen wollte, und war glücklich, wenn ihm
das gelang und er uns beschämen konnte, die
wir daran gezweifelt oder es für unmöglich

war einer von den Menſchen, die eine ganz
beſondere Gabe haben, die Zeit zu verderben,
oder vielmehr die aus Nichts Etwas zu ma¬
chen wiſſen, um ſie zu vertreiben. Alles was
er that, mußte mit Langſamkeit und einem
gewiſſen Anſtand geſchehen, den man affectirt
haͤtte nennen koͤnnen, wenn Behriſch nicht
ſchon von Natur etwas Affectirtes in ſeiner
Art gehabt haͤtte. Er aͤhnelte einem alten
Franzoſen, auch ſprach und ſchrieb er ſehr
gut und leicht Franzoͤſiſch. Seine groͤßte Luſt
war, ſich ernſthaft mit poſſenhaften Dingen
zu beſchaͤftigen und irgend einen albernen Ein¬
fall bis ins Unendliche zu verfolgen. So
trug er ſich beſtaͤndig grau, und weil die ver¬
ſchiedenen Theile ſeines Anzugs von verſchie¬
denen Zeugen, und alſo auch Schattirungen
waren; ſo konnte er Tage lang darauf ſinnen,
wie er ſich noch ein Grau mehr auf den Leib
ſchaffen wollte, und war gluͤcklich, wenn ihm
das gelang und er uns beſchaͤmen konnte, die
wir daran gezweifelt oder es fuͤr unmoͤglich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="200"/>
war einer von den Men&#x017F;chen, die eine ganz<lb/>
be&#x017F;ondere Gabe haben, die Zeit zu verderben,<lb/>
oder vielmehr die aus Nichts Etwas zu ma¬<lb/>
chen wi&#x017F;&#x017F;en, um &#x017F;ie zu vertreiben. Alles was<lb/>
er that, mußte mit Lang&#x017F;amkeit und einem<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en An&#x017F;tand ge&#x017F;chehen, den man affectirt<lb/>
ha&#x0364;tte nennen ko&#x0364;nnen, wenn Behri&#x017F;ch nicht<lb/>
&#x017F;chon von Natur etwas Affectirtes in &#x017F;einer<lb/>
Art gehabt ha&#x0364;tte. Er a&#x0364;hnelte einem alten<lb/>
Franzo&#x017F;en, auch &#x017F;prach und &#x017F;chrieb er &#x017F;ehr<lb/>
gut und leicht Franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch. Seine gro&#x0364;ßte Lu&#x017F;t<lb/>
war, &#x017F;ich ern&#x017F;thaft mit po&#x017F;&#x017F;enhaften Dingen<lb/>
zu be&#x017F;cha&#x0364;ftigen und irgend einen albernen Ein¬<lb/>
fall bis ins Unendliche zu verfolgen. So<lb/>
trug er &#x017F;ich be&#x017F;ta&#x0364;ndig grau, und weil die ver¬<lb/>
&#x017F;chiedenen Theile &#x017F;eines Anzugs von ver&#x017F;chie¬<lb/>
denen Zeugen, und al&#x017F;o auch Schattirungen<lb/>
waren; &#x017F;o konnte er Tage lang darauf &#x017F;innen,<lb/>
wie er &#x017F;ich noch ein Grau mehr auf den Leib<lb/>
&#x017F;chaffen wollte, und war glu&#x0364;cklich, wenn ihm<lb/>
das gelang und er uns be&#x017F;cha&#x0364;men konnte, die<lb/>
wir daran gezweifelt oder es fu&#x0364;r unmo&#x0364;glich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0208] war einer von den Menſchen, die eine ganz beſondere Gabe haben, die Zeit zu verderben, oder vielmehr die aus Nichts Etwas zu ma¬ chen wiſſen, um ſie zu vertreiben. Alles was er that, mußte mit Langſamkeit und einem gewiſſen Anſtand geſchehen, den man affectirt haͤtte nennen koͤnnen, wenn Behriſch nicht ſchon von Natur etwas Affectirtes in ſeiner Art gehabt haͤtte. Er aͤhnelte einem alten Franzoſen, auch ſprach und ſchrieb er ſehr gut und leicht Franzoͤſiſch. Seine groͤßte Luſt war, ſich ernſthaft mit poſſenhaften Dingen zu beſchaͤftigen und irgend einen albernen Ein¬ fall bis ins Unendliche zu verfolgen. So trug er ſich beſtaͤndig grau, und weil die ver¬ ſchiedenen Theile ſeines Anzugs von verſchie¬ denen Zeugen, und alſo auch Schattirungen waren; ſo konnte er Tage lang darauf ſinnen, wie er ſich noch ein Grau mehr auf den Leib ſchaffen wollte, und war gluͤcklich, wenn ihm das gelang und er uns beſchaͤmen konnte, die wir daran gezweifelt oder es fuͤr unmoͤglich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/208
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/208>, abgerufen am 24.11.2024.