von ihr erwartet, beweisen soll. Der prote¬ stantische Gottesdienst hat zu wenig Fülle und Consequenz, als daß er die Gemeine zusammen¬ halten könnte; daher geschieht es leicht, daß Glieder sich von ihr absondern und entweder kleine Gemeinen bilden, oder, ohne kirchlichen Zusammenhang, neben einander geruhig ihr bürgerliches Wesen treiben. So klagte man schon vor geraumer Zeit, die Kirchgänger ver¬ minderten sich von Jahr zu Jahr und in eben dem Verhältniß die Personen, welche den Ge¬ nuß des Nachtmahls verlangten. Was bey¬ des, besonders aber das letztere betrifft, liegt die Ursache sehr nah; doch wer wagt sie auszusprechen? Wir wollen es versuchen.
In sittlichen und religiosen Dingen, eben so wohl als in physichen und bürgerlichen, mag der Mensch nicht gern etwas aus dem Stegrei¬ fe thun; eine Folge, woraus Gewohnheit ent¬ springt, ist ihm nöthig; das was er lieben und leisten soll, kann er sich nicht einzeln, nicht ab¬
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von ihr erwartet, beweiſen ſoll. Der prote¬ ſtantiſche Gottesdienſt hat zu wenig Fuͤlle und Conſequenz, als daß er die Gemeine zuſammen¬ halten koͤnnte; daher geſchieht es leicht, daß Glieder ſich von ihr abſondern und entweder kleine Gemeinen bilden, oder, ohne kirchlichen Zuſammenhang, neben einander geruhig ihr buͤrgerliches Weſen treiben. So klagte man ſchon vor geraumer Zeit, die Kirchgaͤnger ver¬ minderten ſich von Jahr zu Jahr und in eben dem Verhaͤltniß die Perſonen, welche den Ge¬ nuß des Nachtmahls verlangten. Was bey¬ des, beſonders aber das letztere betrifft, liegt die Urſache ſehr nah; doch wer wagt ſie auszuſprechen? Wir wollen es verſuchen.
In ſittlichen und religioſen Dingen, eben ſo wohl als in phyſichen und buͤrgerlichen, mag der Menſch nicht gern etwas aus dem Stegrei¬ fe thun; eine Folge, woraus Gewohnheit ent¬ ſpringt, iſt ihm noͤthig; das was er lieben und leiſten ſoll, kann er ſich nicht einzeln, nicht ab¬
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von ihr erwartet, beweiſen ſoll. Der prote¬
ſtantiſche Gottesdienſt hat zu wenig Fuͤlle und
Conſequenz, als daß er die Gemeine zuſammen¬
halten koͤnnte; daher geſchieht es leicht, daß
Glieder ſich von ihr abſondern und entweder
kleine Gemeinen bilden, oder, ohne kirchlichen
Zuſammenhang, neben einander geruhig ihr
buͤrgerliches Weſen treiben. So klagte man
ſchon vor geraumer Zeit, die Kirchgaͤnger ver¬
minderten ſich von Jahr zu Jahr und in eben
dem Verhaͤltniß die Perſonen, welche den Ge¬
nuß des Nachtmahls verlangten. Was bey¬
des, beſonders aber das letztere betrifft, liegt
die Urſache ſehr nah; doch wer wagt ſie
auszuſprechen? Wir wollen es verſuchen.
In ſittlichen und religioſen Dingen, eben
ſo wohl als in phyſichen und buͤrgerlichen, mag
der Menſch nicht gern etwas aus dem Stegrei¬
fe thun; eine Folge, woraus Gewohnheit ent¬
ſpringt, iſt ihm noͤthig; das was er lieben und
leiſten ſoll, kann er ſich nicht einzeln, nicht ab¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/187>, abgerufen am 24.11.2024.
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