Einiges, was hierher gehört, kommt zwar später bey mir vor, aber einzeln und absichtlos.
Denn da uns das Herz immer näher liegt als der Geist, und uns dann zu schaffen macht, wenn dieser sich wohl zu helfen weiß; so waren mir die Angelegenheiten des Herzens immer als die wichtigsten erschienen. Ich ermüdete nicht, über Flüchtigkeit der Neigungen, Wandelbar¬ keit des menschlichen Wesens, sittliche Sinn¬ lichkeit und über alle das Hohe und Tiefe nach¬ zudenken, dessen Verknüpfung in unserer Na¬ tur als das Räthsel des Menschenlebens be¬ trachtet werden kann. Auch hier suchte ich das, was mich quälte, in einem Lied, einem Epi¬ gramm, in irgend einem Reim loszuwerden, die, weil sie sich auf die eigensten Gefühle und auf die besondersten Umstände bezogen, kaum Jemand anderes interessiren konnten als mich selbst.
Einiges, was hierher gehoͤrt, kommt zwar ſpaͤter bey mir vor, aber einzeln und abſichtlos.
Denn da uns das Herz immer naͤher liegt als der Geiſt, und uns dann zu ſchaffen macht, wenn dieſer ſich wohl zu helfen weiß; ſo waren mir die Angelegenheiten des Herzens immer als die wichtigſten erſchienen. Ich ermuͤdete nicht, uͤber Fluͤchtigkeit der Neigungen, Wandelbar¬ keit des menſchlichen Weſens, ſittliche Sinn¬ lichkeit und uͤber alle das Hohe und Tiefe nach¬ zudenken, deſſen Verknuͤpfung in unſerer Na¬ tur als das Raͤthſel des Menſchenlebens be¬ trachtet werden kann. Auch hier ſuchte ich das, was mich quaͤlte, in einem Lied, einem Epi¬ gramm, in irgend einem Reim loszuwerden, die, weil ſie ſich auf die eigenſten Gefuͤhle und auf die beſonderſten Umſtaͤnde bezogen, kaum Jemand anderes intereſſiren konnten als mich ſelbſt.
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Einiges, was hierher gehoͤrt, kommt zwar
ſpaͤter bey mir vor, aber einzeln und abſichtlos.
Denn da uns das Herz immer naͤher liegt
als der Geiſt, und uns dann zu ſchaffen macht,
wenn dieſer ſich wohl zu helfen weiß; ſo waren
mir die Angelegenheiten des Herzens immer als
die wichtigſten erſchienen. Ich ermuͤdete nicht,
uͤber Fluͤchtigkeit der Neigungen, Wandelbar¬
keit des menſchlichen Weſens, ſittliche Sinn¬
lichkeit und uͤber alle das Hohe und Tiefe nach¬
zudenken, deſſen Verknuͤpfung in unſerer Na¬
tur als das Raͤthſel des Menſchenlebens be¬
trachtet werden kann. Auch hier ſuchte ich das,
was mich quaͤlte, in einem Lied, einem Epi¬
gramm, in irgend einem Reim loszuwerden,
die, weil ſie ſich auf die eigenſten Gefuͤhle und
auf die beſonderſten Umſtaͤnde bezogen, kaum
Jemand anderes intereſſiren konnten als mich
ſelbſt.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/184>, abgerufen am 25.11.2024.
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