gutmüthige Schalks- und Halbschelmenstreiche zu edlen Zwecken, mit persönlicher Gefahr ausgeübt werden, so sind die daraus entsprin¬ genden Situationen, ästhetisch und moralisch betrachtet, für das Theater von dem größten Werth; wie denn z. B. die Oper: der Was¬ serträger, vielleicht das glücklichste Süjet behandelt, das wir je auf dem Theater gese¬ hen haben.
Um die unendliche Langeweile des täglichen Lebens zu erheitern übte ich unzählige solcher Streiche, theils ganz vergeblich, theils zu Zwecken meiner Freunde, denen ich gern gefäl¬ lig war. Für mich selbst wüßte ich nicht, daß ich ein einzig Mal hiebey absichtlich gehandelt hätte, auch kam ich niemals darauf, ein Un¬ terfangen dieser Art als einen Gegenstand für die Kunst zu betrachten; hätte ich aber solche Stoffe, die mir so nahe zur Hand lagen, er¬ griffen und ausgebildet, so wären meine ersten Arbeiten heiterer und brauchbarer gewesen.
gutmuͤthige Schalks- und Halbſchelmenſtreiche zu edlen Zwecken, mit perſoͤnlicher Gefahr ausgeuͤbt werden, ſo ſind die daraus entſprin¬ genden Situationen, aͤſthetiſch und moraliſch betrachtet, fuͤr das Theater von dem groͤßten Werth; wie denn z. B. die Oper: der Waſ¬ ſertraͤger, vielleicht das gluͤcklichſte Suͤjet behandelt, das wir je auf dem Theater geſe¬ hen haben.
Um die unendliche Langeweile des taͤglichen Lebens zu erheitern uͤbte ich unzaͤhlige ſolcher Streiche, theils ganz vergeblich, theils zu Zwecken meiner Freunde, denen ich gern gefaͤl¬ lig war. Fuͤr mich ſelbſt wuͤßte ich nicht, daß ich ein einzig Mal hiebey abſichtlich gehandelt haͤtte, auch kam ich niemals darauf, ein Un¬ terfangen dieſer Art als einen Gegenſtand fuͤr die Kunſt zu betrachten; haͤtte ich aber ſolche Stoffe, die mir ſo nahe zur Hand lagen, er¬ griffen und ausgebildet, ſo waͤren meine erſten Arbeiten heiterer und brauchbarer geweſen.
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gutmuͤthige Schalks- und Halbſchelmenſtreiche
zu edlen Zwecken, mit perſoͤnlicher Gefahr
ausgeuͤbt werden, ſo ſind die daraus entſprin¬
genden Situationen, aͤſthetiſch und moraliſch
betrachtet, fuͤr das Theater von dem groͤßten
Werth; wie denn z. B. die Oper: der Waſ¬
ſertraͤger, vielleicht das gluͤcklichſte Suͤjet
behandelt, das wir je auf dem Theater geſe¬
hen haben.
Um die unendliche Langeweile des taͤglichen
Lebens zu erheitern uͤbte ich unzaͤhlige ſolcher
Streiche, theils ganz vergeblich, theils zu
Zwecken meiner Freunde, denen ich gern gefaͤl¬
lig war. Fuͤr mich ſelbſt wuͤßte ich nicht, daß
ich ein einzig Mal hiebey abſichtlich gehandelt
haͤtte, auch kam ich niemals darauf, ein Un¬
terfangen dieſer Art als einen Gegenſtand fuͤr
die Kunſt zu betrachten; haͤtte ich aber ſolche
Stoffe, die mir ſo nahe zur Hand lagen, er¬
griffen und ausgebildet, ſo waͤren meine erſten
Arbeiten heiterer und brauchbarer geweſen.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/183>, abgerufen am 25.11.2024.
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