über mich gelten machte, da ich schon Ursache zu haben glaubte, ihm völlig entsagen zu dür¬ fen. Welchen Weg ich einschlug, mich aus dieser Noth, wenn auch nur Schritt vor Schritt zu retten, will ich gegenwärtig mög¬ lichst zu überliefern suchen.
Die weitschweifige Periode, in welche mei¬ ne Jugend gefallen war, hatte ich treufleißig, in Gesellschaft so vieler würdigen Männer, durchgearbeitet. Die mehreren Quartbände Manuscript, die ich meinem Vater zurückließ, konnten zum genugsamen Zeugnisse dienen, und welche Masse von Versuchen, Entwürfen, bis zur Hälfte ausgeführten Vorsätzen war mehr aus Mismuth als aus Ueberzeugung in Rauch aufgegangen. Nun lernte ich durch Unterre¬ dung überhaupt, durch Lehre, durch so manche widerstreitende Meynung, besonders aber durch meinen Tischgenossen, den Hofrath Pfeil, das Bedeutende des Stoffs und das Concise der Behandlung mehr und mehr schätzen, ohne mir
uͤber mich gelten machte, da ich ſchon Urſache zu haben glaubte, ihm voͤllig entſagen zu duͤr¬ fen. Welchen Weg ich einſchlug, mich aus dieſer Noth, wenn auch nur Schritt vor Schritt zu retten, will ich gegenwaͤrtig moͤg¬ lichſt zu uͤberliefern ſuchen.
Die weitſchweifige Periode, in welche mei¬ ne Jugend gefallen war, hatte ich treufleißig, in Geſellſchaft ſo vieler wuͤrdigen Maͤnner, durchgearbeitet. Die mehreren Quartbaͤnde Manuſcript, die ich meinem Vater zuruͤckließ, konnten zum genugſamen Zeugniſſe dienen, und welche Maſſe von Verſuchen, Entwuͤrfen, bis zur Haͤlfte ausgefuͤhrten Vorſaͤtzen war mehr aus Mismuth als aus Ueberzeugung in Rauch aufgegangen. Nun lernte ich durch Unterre¬ dung uͤberhaupt, durch Lehre, durch ſo manche widerſtreitende Meynung, beſonders aber durch meinen Tiſchgenoſſen, den Hofrath Pfeil, das Bedeutende des Stoffs und das Conciſe der Behandlung mehr und mehr ſchaͤtzen, ohne mir
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uͤber mich gelten machte, da ich ſchon Urſache
zu haben glaubte, ihm voͤllig entſagen zu duͤr¬
fen. Welchen Weg ich einſchlug, mich aus
dieſer Noth, wenn auch nur Schritt vor
Schritt zu retten, will ich gegenwaͤrtig moͤg¬
lichſt zu uͤberliefern ſuchen.
Die weitſchweifige Periode, in welche mei¬
ne Jugend gefallen war, hatte ich treufleißig,
in Geſellſchaft ſo vieler wuͤrdigen Maͤnner,
durchgearbeitet. Die mehreren Quartbaͤnde
Manuſcript, die ich meinem Vater zuruͤckließ,
konnten zum genugſamen Zeugniſſe dienen, und
welche Maſſe von Verſuchen, Entwuͤrfen, bis
zur Haͤlfte ausgefuͤhrten Vorſaͤtzen war mehr
aus Mismuth als aus Ueberzeugung in Rauch
aufgegangen. Nun lernte ich durch Unterre¬
dung uͤberhaupt, durch Lehre, durch ſo manche
widerſtreitende Meynung, beſonders aber durch
meinen Tiſchgenoſſen, den Hofrath Pfeil, das
Bedeutende des Stoffs und das Conciſe der
Behandlung mehr und mehr ſchaͤtzen, ohne mir
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/172>, abgerufen am 22.11.2024.
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