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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Allerletzten bestimmen und theilen, und dadurch
viel interessanter werden als die Götter selbst,
die, wenn sie Schicksale bestimmt haben, sich
der Theilnahme derselben entziehen. In die¬
sem Sinne muß jede Nation, wenn sie für ir¬
gend etwas gelten will, eine Epopee besitzen,
wozu nicht gerade die Form des epischen Ge¬
dichts nöthig ist.

Die Kriegslieder, von Gleim ange¬
stimmt, behaupten deswegen einen so hohen
Rang unter den deutschen Gedichten, weil sie
mit und in der That entsprungen sind, und
noch überdieß, weil an ihnen die glückliche
Form, als hätte sie ein Mitstreitender in den
höchsten Augenblicken hervorgebracht, uns die
vollkommenste Wirksamkeit empfinden läßt.

Rammler singt auf eine andere, höchst
würdige Weise die Thaten seines Königs. Alle
seine Gedichte sind gehaltvoll, beschäftigen uns
mit großen, herzerhebenden Gegenständen und

Allerletzten beſtimmen und theilen, und dadurch
viel intereſſanter werden als die Goͤtter ſelbſt,
die, wenn ſie Schickſale beſtimmt haben, ſich
der Theilnahme derſelben entziehen. In die¬
ſem Sinne muß jede Nation, wenn ſie fuͤr ir¬
gend etwas gelten will, eine Epopee beſitzen,
wozu nicht gerade die Form des epiſchen Ge¬
dichts noͤthig iſt.

Die Kriegslieder, von Gleim ange¬
ſtimmt, behaupten deswegen einen ſo hohen
Rang unter den deutſchen Gedichten, weil ſie
mit und in der That entſprungen ſind, und
noch uͤberdieß, weil an ihnen die gluͤckliche
Form, als haͤtte ſie ein Mitſtreitender in den
hoͤchſten Augenblicken hervorgebracht, uns die
vollkommenſte Wirkſamkeit empfinden laͤßt.

Rammler ſingt auf eine andere, hoͤchſt
wuͤrdige Weiſe die Thaten ſeines Koͤnigs. Alle
ſeine Gedichte ſind gehaltvoll, beſchaͤftigen uns
mit großen, herzerhebenden Gegenſtaͤnden und

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[158/0166] Allerletzten beſtimmen und theilen, und dadurch viel intereſſanter werden als die Goͤtter ſelbſt, die, wenn ſie Schickſale beſtimmt haben, ſich der Theilnahme derſelben entziehen. In die¬ ſem Sinne muß jede Nation, wenn ſie fuͤr ir¬ gend etwas gelten will, eine Epopee beſitzen, wozu nicht gerade die Form des epiſchen Ge¬ dichts noͤthig iſt. Die Kriegslieder, von Gleim ange¬ ſtimmt, behaupten deswegen einen ſo hohen Rang unter den deutſchen Gedichten, weil ſie mit und in der That entſprungen ſind, und noch uͤberdieß, weil an ihnen die gluͤckliche Form, als haͤtte ſie ein Mitſtreitender in den hoͤchſten Augenblicken hervorgebracht, uns die vollkommenſte Wirkſamkeit empfinden laͤßt. Rammler ſingt auf eine andere, hoͤchſt wuͤrdige Weiſe die Thaten ſeines Koͤnigs. Alle ſeine Gedichte ſind gehaltvoll, beſchaͤftigen uns mit großen, herzerhebenden Gegenſtaͤnden und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/166>, abgerufen am 24.11.2024.