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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Acten selbst gelesen und ihre Unterschrift ge¬
sehen." Die Unterschrift! rief ich aus, die
mich so glücklich und so unglücklich macht.
Was hat sie denn bekannt? was hat sie un¬
terschrieben? Der Freund zauderte zu ant¬
worten; aber die Heiterkeit seines Gesichts
zeigte mir an, daß er nichts Gefährliches ver¬
berge. "Wenn Sie's denn wissen wollen,
versetzte er endlich, als von Ihnen und Ih¬
rem Umgang mit ihr die Rede war, sagte sie
ganz freymüthig: ich kann es nicht leugnen,
daß ich ihn oft und gern gesehen habe; aber
ich habe ihn immer als ein Kind betrachtet und
meine Neigung zu ihm war wahrhaft schwe¬
sterlich. In manchen Fällen habe ich ihn gut
berathen, und anstatt ihn zu einer zweydeuti¬
gen Handlung aufzuregen, habe ich ihn ver¬
hindert, an muthwilligen Streichen Theil zu
nehmen, die ihm hätten Verdruß bringen
können."

Der Freund fuhr noch weiter fort, Gret¬
chen als eine Hofmeisterinn reden zu lassen;

Acten ſelbſt geleſen und ihre Unterſchrift ge¬
ſehen.“ Die Unterſchrift! rief ich aus, die
mich ſo gluͤcklich und ſo ungluͤcklich macht.
Was hat ſie denn bekannt? was hat ſie un¬
terſchrieben? Der Freund zauderte zu ant¬
worten; aber die Heiterkeit ſeines Geſichts
zeigte mir an, daß er nichts Gefaͤhrliches ver¬
berge. „Wenn Sie's denn wiſſen wollen,
verſetzte er endlich, als von Ihnen und Ih¬
rem Umgang mit ihr die Rede war, ſagte ſie
ganz freymuͤthig: ich kann es nicht leugnen,
daß ich ihn oft und gern geſehen habe; aber
ich habe ihn immer als ein Kind betrachtet und
meine Neigung zu ihm war wahrhaft ſchwe¬
ſterlich. In manchen Faͤllen habe ich ihn gut
berathen, und anſtatt ihn zu einer zweydeuti¬
gen Handlung aufzuregen, habe ich ihn ver¬
hindert, an muthwilligen Streichen Theil zu
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Der Freund fuhr noch weiter fort, Gret¬
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[7/0015] Acten ſelbſt geleſen und ihre Unterſchrift ge¬ ſehen.“ Die Unterſchrift! rief ich aus, die mich ſo gluͤcklich und ſo ungluͤcklich macht. Was hat ſie denn bekannt? was hat ſie un¬ terſchrieben? Der Freund zauderte zu ant¬ worten; aber die Heiterkeit ſeines Geſichts zeigte mir an, daß er nichts Gefaͤhrliches ver¬ berge. „Wenn Sie's denn wiſſen wollen, verſetzte er endlich, als von Ihnen und Ih¬ rem Umgang mit ihr die Rede war, ſagte ſie ganz freymuͤthig: ich kann es nicht leugnen, daß ich ihn oft und gern geſehen habe; aber ich habe ihn immer als ein Kind betrachtet und meine Neigung zu ihm war wahrhaft ſchwe¬ ſterlich. In manchen Faͤllen habe ich ihn gut berathen, und anſtatt ihn zu einer zweydeuti¬ gen Handlung aufzuregen, habe ich ihn ver¬ hindert, an muthwilligen Streichen Theil zu nehmen, die ihm haͤtten Verdruß bringen koͤnnen.“ Der Freund fuhr noch weiter fort, Gret¬ chen als eine Hofmeiſterinn reden zu laſſen;

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/15>, abgerufen am 11.12.2024.