ersten Bänden der allgemeinen deutschen Bi¬ bliothek ersehen. Der Comischen Erzählungen geschieht ehrenvolle Erwähnung; aber hier ist keine Spur von Einsicht in den Character der Dichtart selbst. Der Recensent hatte sei¬ nen Geschmack, wie damals alle, an Bey¬ spielen gebildet. Hier ist nicht bedacht, daß man vor allen Dingen bey Beurtheilung sol¬ cher parodistischen Werke den originalen ed¬ len, schönen Gegenstand vor Augen haben müsse, um zu sehen, ob der Parodist ihm wirklich eine schwache und comische Seite ab¬ gewonnen, ob er ihm etwas geborgt, oder, unter dem Schein einer solchen Nachahmung, vielleicht gar selbst eine treffliche Erfindung geliefert? Von allem dem ahndet man nichts, sondern die Gedichte werden stellenweis gelobt und getadelt. Der Recensent hat, wie er selbst gesteht, soviel was ihm gefallen ange¬ strichen, daß er nicht einmal im Druck alles anführen kann. Kommt man nun gar der höchst verdienstlichen Uebersetzung Shakespear's
erſten Baͤnden der allgemeinen deutſchen Bi¬ bliothek erſehen. Der Comiſchen Erzaͤhlungen geſchieht ehrenvolle Erwaͤhnung; aber hier iſt keine Spur von Einſicht in den Character der Dichtart ſelbſt. Der Recenſent hatte ſei¬ nen Geſchmack, wie damals alle, an Bey¬ ſpielen gebildet. Hier iſt nicht bedacht, daß man vor allen Dingen bey Beurtheilung ſol¬ cher parodiſtiſchen Werke den originalen ed¬ len, ſchoͤnen Gegenſtand vor Augen haben muͤſſe, um zu ſehen, ob der Parodiſt ihm wirklich eine ſchwache und comiſche Seite ab¬ gewonnen, ob er ihm etwas geborgt, oder, unter dem Schein einer ſolchen Nachahmung, vielleicht gar ſelbſt eine treffliche Erfindung geliefert? Von allem dem ahndet man nichts, ſondern die Gedichte werden ſtellenweis gelobt und getadelt. Der Recenſent hat, wie er ſelbſt geſteht, ſoviel was ihm gefallen ange¬ ſtrichen, daß er nicht einmal im Druck alles anfuͤhren kann. Kommt man nun gar der hoͤchſt verdienſtlichen Ueberſetzung Shakespear's
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0146"n="138"/>
erſten Baͤnden der allgemeinen deutſchen Bi¬<lb/>
bliothek erſehen. Der Comiſchen Erzaͤhlungen<lb/>
geſchieht ehrenvolle Erwaͤhnung; aber hier iſt<lb/>
keine Spur von Einſicht in den Character<lb/>
der Dichtart ſelbſt. Der Recenſent hatte ſei¬<lb/>
nen Geſchmack, wie damals alle, an Bey¬<lb/>ſpielen gebildet. Hier iſt nicht bedacht, daß<lb/>
man vor allen Dingen bey Beurtheilung ſol¬<lb/>
cher parodiſtiſchen Werke den originalen ed¬<lb/>
len, ſchoͤnen Gegenſtand vor Augen haben<lb/>
muͤſſe, um zu ſehen, ob der Parodiſt ihm<lb/>
wirklich eine ſchwache und comiſche Seite ab¬<lb/>
gewonnen, ob er ihm etwas geborgt, oder,<lb/>
unter dem Schein einer ſolchen Nachahmung,<lb/>
vielleicht gar ſelbſt eine treffliche Erfindung<lb/>
geliefert? Von allem dem ahndet man nichts,<lb/>ſondern die Gedichte werden ſtellenweis gelobt<lb/>
und getadelt. Der Recenſent hat, wie er<lb/>ſelbſt geſteht, ſoviel was ihm gefallen ange¬<lb/>ſtrichen, daß er nicht einmal im Druck alles<lb/>
anfuͤhren kann. Kommt man nun gar der<lb/>
hoͤchſt verdienſtlichen Ueberſetzung Shakespear's<lb/></p></div></body></text></TEI>
[138/0146]
erſten Baͤnden der allgemeinen deutſchen Bi¬
bliothek erſehen. Der Comiſchen Erzaͤhlungen
geſchieht ehrenvolle Erwaͤhnung; aber hier iſt
keine Spur von Einſicht in den Character
der Dichtart ſelbſt. Der Recenſent hatte ſei¬
nen Geſchmack, wie damals alle, an Bey¬
ſpielen gebildet. Hier iſt nicht bedacht, daß
man vor allen Dingen bey Beurtheilung ſol¬
cher parodiſtiſchen Werke den originalen ed¬
len, ſchoͤnen Gegenſtand vor Augen haben
muͤſſe, um zu ſehen, ob der Parodiſt ihm
wirklich eine ſchwache und comiſche Seite ab¬
gewonnen, ob er ihm etwas geborgt, oder,
unter dem Schein einer ſolchen Nachahmung,
vielleicht gar ſelbſt eine treffliche Erfindung
geliefert? Von allem dem ahndet man nichts,
ſondern die Gedichte werden ſtellenweis gelobt
und getadelt. Der Recenſent hat, wie er
ſelbſt geſteht, ſoviel was ihm gefallen ange¬
ſtrichen, daß er nicht einmal im Druck alles
anfuͤhren kann. Kommt man nun gar der
hoͤchſt verdienſtlichen Ueberſetzung Shakespear's
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/146>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.