Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

ben, ja gelehrt seyn, er sollte Geschmack be¬
sitzen, und was dergleichen mehr war. Man
wies uns zuletzt auf Horazens Dichtkunst,
wir staunten einzelne Goldsprüche dieses un¬
schätzbaren Werks mit Ehrfurcht an, wußten
aber nicht im geringsten, was wir mit dem
Ganzen machen, noch wie wir es nutzen
sollten.

Die Schweizer traten auf als Gottscheds
Antagonisten; sie mußten doch also etwas An¬
deres thun, etwas Besseres leisten wollen: so
hörten wir denn auch, daß sie wirklich vorzüg¬
licher seyen. Breitingers kritische Dicht¬
kunst ward vorgenommen. Hier gelangten
wir nun in ein weiteres Feld, eigentlich aber
nur in einen größeren Irrgarten, der desto
ermüdender war, als ein tüchtiger Mann,
dem wir vertrauten, uns darin herumtrieb.
Eine kurze Uebersicht rechtfertige diese Worte.

8 *

ben, ja gelehrt ſeyn, er ſollte Geſchmack be¬
ſitzen, und was dergleichen mehr war. Man
wies uns zuletzt auf Horazens Dichtkunſt,
wir ſtaunten einzelne Goldſpruͤche dieſes un¬
ſchaͤtzbaren Werks mit Ehrfurcht an, wußten
aber nicht im geringſten, was wir mit dem
Ganzen machen, noch wie wir es nutzen
ſollten.

Die Schweizer traten auf als Gottſcheds
Antagoniſten; ſie mußten doch alſo etwas An¬
deres thun, etwas Beſſeres leiſten wollen: ſo
hoͤrten wir denn auch, daß ſie wirklich vorzuͤg¬
licher ſeyen. Breitingers kritiſche Dicht¬
kunſt ward vorgenommen. Hier gelangten
wir nun in ein weiteres Feld, eigentlich aber
nur in einen groͤßeren Irrgarten, der deſto
ermuͤdender war, als ein tuͤchtiger Mann,
dem wir vertrauten, uns darin herumtrieb.
Eine kurze Ueberſicht rechtfertige dieſe Worte.

8 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0123" n="115"/>
ben, ja gelehrt &#x017F;eyn, er &#x017F;ollte Ge&#x017F;chmack be¬<lb/>
&#x017F;itzen, und was dergleichen mehr war. Man<lb/>
wies uns zuletzt auf Horazens Dichtkun&#x017F;t,<lb/>
wir &#x017F;taunten einzelne Gold&#x017F;pru&#x0364;che die&#x017F;es un¬<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;tzbaren Werks mit Ehrfurcht an, wußten<lb/>
aber nicht im gering&#x017F;ten, was wir mit dem<lb/>
Ganzen machen, noch wie wir es nutzen<lb/>
&#x017F;ollten.</p><lb/>
        <p>Die Schweizer traten auf als Gott&#x017F;cheds<lb/>
Antagoni&#x017F;ten; &#x017F;ie mußten doch al&#x017F;o etwas An¬<lb/>
deres thun, etwas Be&#x017F;&#x017F;eres lei&#x017F;ten wollen: &#x017F;o<lb/>
ho&#x0364;rten wir denn auch, daß &#x017F;ie wirklich vorzu&#x0364;<lb/>
licher &#x017F;eyen. <hi rendition="#g">Breitingers</hi> kriti&#x017F;che Dicht¬<lb/>
kun&#x017F;t ward vorgenommen. Hier gelangten<lb/>
wir nun in ein weiteres Feld, eigentlich aber<lb/>
nur in einen gro&#x0364;ßeren Irrgarten, der de&#x017F;to<lb/>
ermu&#x0364;dender war, als ein tu&#x0364;chtiger Mann,<lb/>
dem wir vertrauten, uns darin herumtrieb.<lb/>
Eine kurze Ueber&#x017F;icht rechtfertige die&#x017F;e Worte.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">8 *<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0123] ben, ja gelehrt ſeyn, er ſollte Geſchmack be¬ ſitzen, und was dergleichen mehr war. Man wies uns zuletzt auf Horazens Dichtkunſt, wir ſtaunten einzelne Goldſpruͤche dieſes un¬ ſchaͤtzbaren Werks mit Ehrfurcht an, wußten aber nicht im geringſten, was wir mit dem Ganzen machen, noch wie wir es nutzen ſollten. Die Schweizer traten auf als Gottſcheds Antagoniſten; ſie mußten doch alſo etwas An¬ deres thun, etwas Beſſeres leiſten wollen: ſo hoͤrten wir denn auch, daß ſie wirklich vorzuͤg¬ licher ſeyen. Breitingers kritiſche Dicht¬ kunſt ward vorgenommen. Hier gelangten wir nun in ein weiteres Feld, eigentlich aber nur in einen groͤßeren Irrgarten, der deſto ermuͤdender war, als ein tuͤchtiger Mann, dem wir vertrauten, uns darin herumtrieb. Eine kurze Ueberſicht rechtfertige dieſe Worte. 8 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/123
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/123>, abgerufen am 18.12.2024.