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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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So trieb es mich wechselsweise, meine
Genesung zu befördern und zu verhindern,
und ein gewisser heimlicher Aerger gesellte
sich noch zu meinen übrigen Empfindungen:
denn ich bemerkte wohl, daß man mich beob¬
achtete, daß man mir nicht leicht etwas Ver¬
siegeltes zustellte, ohne darauf Acht zu haben,
was es für Wirkungen hervorbringe? ob ich
es geheim hielt oder ob ich es offen hinlegte,
und was dergleichen mehr war. Ich vermu¬
thete daher, daß Pylades, ein Vetter, oder
wohl gar Gretchen selbst, den Versuch möchte
gemacht haben mir zu schreiben, um Nach¬
richt zu geben oder zu erhalten; ich war nun
erst recht verdrießlich neben meiner Beküm¬
merniß, und hatte wieder neue Gelegenheit,
meine Vermuthungen zu üben und mich in
die seltsamsten Verknüpfungen zu verirren.

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So trieb es mich wechſelsweiſe, meine
Geneſung zu befoͤrdern und zu verhindern,
und ein gewiſſer heimlicher Aerger geſellte
ſich noch zu meinen uͤbrigen Empfindungen:
denn ich bemerkte wohl, daß man mich beob¬
achtete, daß man mir nicht leicht etwas Ver¬
ſiegeltes zuſtellte, ohne darauf Acht zu haben,
was es fuͤr Wirkungen hervorbringe? ob ich
es geheim hielt oder ob ich es offen hinlegte,
und was dergleichen mehr war. Ich vermu¬
thete daher, daß Pylades, ein Vetter, oder
wohl gar Gretchen ſelbſt, den Verſuch moͤchte
gemacht haben mir zu ſchreiben, um Nach¬
richt zu geben oder zu erhalten; ich war nun
erſt recht verdrießlich neben meiner Bekuͤm¬
merniß, und hatte wieder neue Gelegenheit,
meine Vermuthungen zu uͤben und mich in
die ſeltſamſten Verknuͤpfungen zu verirren.

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[[3]/0011] So trieb es mich wechſelsweiſe, meine Geneſung zu befoͤrdern und zu verhindern, und ein gewiſſer heimlicher Aerger geſellte ſich noch zu meinen uͤbrigen Empfindungen: denn ich bemerkte wohl, daß man mich beob¬ achtete, daß man mir nicht leicht etwas Ver¬ ſiegeltes zuſtellte, ohne darauf Acht zu haben, was es fuͤr Wirkungen hervorbringe? ob ich es geheim hielt oder ob ich es offen hinlegte, und was dergleichen mehr war. Ich vermu¬ thete daher, daß Pylades, ein Vetter, oder wohl gar Gretchen ſelbſt, den Verſuch moͤchte gemacht haben mir zu ſchreiben, um Nach¬ richt zu geben oder zu erhalten; ich war nun erſt recht verdrießlich neben meiner Bekuͤm¬ merniß, und hatte wieder neue Gelegenheit, meine Vermuthungen zu uͤben und mich in die ſeltſamſten Verknuͤpfungen zu verirren. 1 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/11>, abgerufen am 23.11.2024.