und sich um so mehr schicklicher äußerer For¬ men zu befleißigen, als die Colonie ein Mu¬ sterbild französischer Sitten darstellte. Die Professoren, wohlhabend durch eignes Ver¬ mögen und gute Pfründen, waren von ihren Schülern nicht abhängig, und der Landeskin¬ der mehrere, auf den Fürstenschulen oder son¬ stigen Gymnasien gebildet und Beförderung hoffend, wagten es nicht, sich von der her¬ kömmlichen Sitte loszusagen. Die Nähe von Dresden, die Aufmerksamkeit von daher, die wahre Frömmigkeit der Oberaufseher des Studienwesens konnte nicht ohne sittlichen, ja religiösen Einfluß bleiben.
Mir war diese Lebensart im Anfange nicht zuwider; meine Empfehlungsbriefe hat¬ ten mich in gute Häuser eingeführt, deren verwandte Zirkel mich gleichfalls wohl auf¬ nahmen. Da ich aber bald empfinden mu߬ te, daß die Gesellschaft gar manches an mir auszusetzen hatte, und ich, nachdem ich mich
und ſich um ſo mehr ſchicklicher aͤußerer For¬ men zu befleißigen, als die Colonie ein Mu¬ ſterbild franzoͤſiſcher Sitten darſtellte. Die Profeſſoren, wohlhabend durch eignes Ver¬ moͤgen und gute Pfruͤnden, waren von ihren Schuͤlern nicht abhaͤngig, und der Landeskin¬ der mehrere, auf den Fuͤrſtenſchulen oder ſon¬ ſtigen Gymnaſien gebildet und Befoͤrderung hoffend, wagten es nicht, ſich von der her¬ koͤmmlichen Sitte loszuſagen. Die Naͤhe von Dresden, die Aufmerkſamkeit von daher, die wahre Froͤmmigkeit der Oberaufſeher des Studienweſens konnte nicht ohne ſittlichen, ja religioͤſen Einfluß bleiben.
Mir war dieſe Lebensart im Anfange nicht zuwider; meine Empfehlungsbriefe hat¬ ten mich in gute Haͤuſer eingefuͤhrt, deren verwandte Zirkel mich gleichfalls wohl auf¬ nahmen. Da ich aber bald empfinden mu߬ te, daß die Geſellſchaft gar manches an mir auszuſetzen hatte, und ich, nachdem ich mich
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und ſich um ſo mehr ſchicklicher aͤußerer For¬
men zu befleißigen, als die Colonie ein Mu¬
ſterbild franzoͤſiſcher Sitten darſtellte. Die
Profeſſoren, wohlhabend durch eignes Ver¬
moͤgen und gute Pfruͤnden, waren von ihren
Schuͤlern nicht abhaͤngig, und der Landeskin¬
der mehrere, auf den Fuͤrſtenſchulen oder ſon¬
ſtigen Gymnaſien gebildet und Befoͤrderung
hoffend, wagten es nicht, ſich von der her¬
koͤmmlichen Sitte loszuſagen. Die Naͤhe
von Dresden, die Aufmerkſamkeit von daher,
die wahre Froͤmmigkeit der Oberaufſeher des
Studienweſens konnte nicht ohne ſittlichen, ja
religioͤſen Einfluß bleiben.
Mir war dieſe Lebensart im Anfange
nicht zuwider; meine Empfehlungsbriefe hat¬
ten mich in gute Haͤuſer eingefuͤhrt, deren
verwandte Zirkel mich gleichfalls wohl auf¬
nahmen. Da ich aber bald empfinden mu߬
te, daß die Geſellſchaft gar manches an mir
auszuſetzen hatte, und ich, nachdem ich mich
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/100>, abgerufen am 21.11.2024.
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