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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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uns zu Diensten, sobald uns gelüstete nach
diesen Werken, anstatt nach irgend einer
Näscherey zu greifen. Der größte Vortheil
dabey war, daß wenn wir ein solches Heft
zerlesen oder sonst beschädigt hatten, es bald
wieder angeschafft und aufs neue verschlungen
werden konnte.

Wie eine Familienspazirfahrt im Sommer
durch ein plötzliches Gewitter auf eine höchst
verdrießliche Weise gestört, und ein froher
Zustand in den widerwärtigsten verwandelt
wird, so fallen auch die Kinderkrankheiten un¬
erwartet in die schönste Jahrszeit des Früh¬
lebens. Mir erging es auch nicht anders.
Ich hatte mir eben den Fortunatus mit sei¬
nem Seckel und Wünschhüthlein gekauft, als
mich ein Misbehagen und ein Fieber überfiel,
wodurch die Pocken sich ankündigten. Die
Einimpfung derselben ward bey uns noch im¬
mer für sehr problematisch angesehen, und
ob sie gleich populare Schriftsteller schon fa߬

uns zu Dienſten, ſobald uns geluͤſtete nach
dieſen Werken, anſtatt nach irgend einer
Naͤſcherey zu greifen. Der groͤßte Vortheil
dabey war, daß wenn wir ein ſolches Heft
zerleſen oder ſonſt beſchaͤdigt hatten, es bald
wieder angeſchafft und aufs neue verſchlungen
werden konnte.

Wie eine Familienſpazirfahrt im Sommer
durch ein ploͤtzliches Gewitter auf eine hoͤchſt
verdrießliche Weiſe geſtoͤrt, und ein froher
Zuſtand in den widerwaͤrtigſten verwandelt
wird, ſo fallen auch die Kinderkrankheiten un¬
erwartet in die ſchoͤnſte Jahrszeit des Fruͤh¬
lebens. Mir erging es auch nicht anders.
Ich hatte mir eben den Fortunatus mit ſei¬
nem Seckel und Wuͤnſchhuͤthlein gekauft, als
mich ein Misbehagen und ein Fieber uͤberfiel,
wodurch die Pocken ſich ankuͤndigten. Die
Einimpfung derſelben ward bey uns noch im¬
mer fuͤr ſehr problematiſch angeſehen, und
ob ſie gleich populare Schriftſteller ſchon fa߬

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[66/0082] uns zu Dienſten, ſobald uns geluͤſtete nach dieſen Werken, anſtatt nach irgend einer Naͤſcherey zu greifen. Der groͤßte Vortheil dabey war, daß wenn wir ein ſolches Heft zerleſen oder ſonſt beſchaͤdigt hatten, es bald wieder angeſchafft und aufs neue verſchlungen werden konnte. Wie eine Familienſpazirfahrt im Sommer durch ein ploͤtzliches Gewitter auf eine hoͤchſt verdrießliche Weiſe geſtoͤrt, und ein froher Zuſtand in den widerwaͤrtigſten verwandelt wird, ſo fallen auch die Kinderkrankheiten un¬ erwartet in die ſchoͤnſte Jahrszeit des Fruͤh¬ lebens. Mir erging es auch nicht anders. Ich hatte mir eben den Fortunatus mit ſei¬ nem Seckel und Wuͤnſchhuͤthlein gekauft, als mich ein Misbehagen und ein Fieber uͤberfiel, wodurch die Pocken ſich ankuͤndigten. Die Einimpfung derſelben ward bey uns noch im¬ mer fuͤr ſehr problematiſch angeſehen, und ob ſie gleich populare Schriftſteller ſchon fa߬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/82>, abgerufen am 24.11.2024.