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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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laut vorzulesen; die Procuratoren bitten um
Abschrift, appelliren, oder was sie sonst zu
thun nöthig finden.

Auf einmal meldet eine wunderliche Mu¬
sik gleichsam die Ankunft voriger Jahrhunder¬
te. Es sind drey Pfeifer, deren einer eine
alte Schalmey, der andere einen Baß, der
dritte einen Pommer oder Hoboe bläst. Sie
tragen blaue mit Gold verbrämte Mäntel,
auf den Aermeln die Noten befestigt, und ha¬
ben das Haupt bedeckt. So waren sie aus
ihrem Gasthause, die Gesandten und ihre
Begleitung hinterdrein, Punkt zehn ausge¬
zogen, von Einheimischen und Fremden ange¬
staunt, und so treten sie in den Saal. Die
Gerichtsverhandlungen halten inne, Pfeifer
und Begleitung bleiben vor den Schranken,
der Abgesandte tritt hinein und stellt sich dem
Schultheißen gegenüber. Die symbolischen Ga¬
ben, welche auf das genauste nach dem alten
Herkommen gefordert wurden, bestanden ge¬

laut vorzuleſen; die Procuratoren bitten um
Abſchrift, appelliren, oder was ſie ſonſt zu
thun noͤthig finden.

Auf einmal meldet eine wunderliche Mu¬
ſik gleichſam die Ankunft voriger Jahrhunder¬
te. Es ſind drey Pfeifer, deren einer eine
alte Schalmey, der andere einen Baß, der
dritte einen Pommer oder Hoboe blaͤſt. Sie
tragen blaue mit Gold verbraͤmte Maͤntel,
auf den Aermeln die Noten befeſtigt, und ha¬
ben das Haupt bedeckt. So waren ſie aus
ihrem Gaſthauſe, die Geſandten und ihre
Begleitung hinterdrein, Punkt zehn ausge¬
zogen, von Einheimiſchen und Fremden ange¬
ſtaunt, und ſo treten ſie in den Saal. Die
Gerichtsverhandlungen halten inne, Pfeifer
und Begleitung bleiben vor den Schranken,
der Abgeſandte tritt hinein und ſtellt ſich dem
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[39/0055] laut vorzuleſen; die Procuratoren bitten um Abſchrift, appelliren, oder was ſie ſonſt zu thun noͤthig finden. Auf einmal meldet eine wunderliche Mu¬ ſik gleichſam die Ankunft voriger Jahrhunder¬ te. Es ſind drey Pfeifer, deren einer eine alte Schalmey, der andere einen Baß, der dritte einen Pommer oder Hoboe blaͤſt. Sie tragen blaue mit Gold verbraͤmte Maͤntel, auf den Aermeln die Noten befeſtigt, und ha¬ ben das Haupt bedeckt. So waren ſie aus ihrem Gaſthauſe, die Geſandten und ihre Begleitung hinterdrein, Punkt zehn ausge¬ zogen, von Einheimiſchen und Fremden ange¬ ſtaunt, und ſo treten ſie in den Saal. Die Gerichtsverhandlungen halten inne, Pfeifer und Begleitung bleiben vor den Schranken, der Abgeſandte tritt hinein und ſtellt ſich dem Schultheißen gegenuͤber. Die ſymboliſchen Ga¬ ben, welche auf das genauſte nach dem alten Herkommen gefordert wurden, beſtanden ge¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/55>, abgerufen am 24.11.2024.