schuldige Freude, so manchen heitern Genuß gleichsam vor einem Criminalgericht deponi¬ ren sollte, destomehr wuchs die schmerzlichste Empfindung, so daß ich zuletzt in Thränen ausbrach und mich einer unbändigen Leiden¬ schaft überließ. Der Hausfreund, welcher hoffte, daß eben jetzt das rechte Geheim¬ niß auf dem Wege seyn möchte sich zu offen¬ baren (denn er hielt meinen Schmerz für ein Symptom, daß ich im Begriff stehe mit Widerwillen ein Ungeheures zu bekennen) suchte mich, da ihm an der Entdeckung alles gelegen war, aufs beste zu beruhigen; welches ihm zwar nur zum Theil gelang, aber doch insofern, daß ich meine Geschichte nothdürftig auserzählen konnte. Er war, obgleich zufrie¬ den über die Unschuld der Vorgänge, doch noch einigermaßen zweifelhaft, und erließ neue Fragen an mich, die mich abermals aufregten und in Schmerz und Wuth versetzten. Ich ver¬ sicherte endlich, daß ich nichts weiter zu sagen habe, und wohl wisse, daß ich nichts zu fürch¬
ſchuldige Freude, ſo manchen heitern Genuß gleichſam vor einem Criminalgericht deponi¬ ren ſollte, deſtomehr wuchs die ſchmerzlichſte Empfindung, ſo daß ich zuletzt in Thraͤnen ausbrach und mich einer unbaͤndigen Leiden¬ ſchaft uͤberließ. Der Hausfreund, welcher hoffte, daß eben jetzt das rechte Geheim¬ niß auf dem Wege ſeyn moͤchte ſich zu offen¬ baren (denn er hielt meinen Schmerz fuͤr ein Symptom, daß ich im Begriff ſtehe mit Widerwillen ein Ungeheures zu bekennen) ſuchte mich, da ihm an der Entdeckung alles gelegen war, aufs beſte zu beruhigen; welches ihm zwar nur zum Theil gelang, aber doch inſofern, daß ich meine Geſchichte nothduͤrftig auserzaͤhlen konnte. Er war, obgleich zufrie¬ den uͤber die Unſchuld der Vorgaͤnge, doch noch einigermaßen zweifelhaft, und erließ neue Fragen an mich, die mich abermals aufregten und in Schmerz und Wuth verſetzten. Ich ver¬ ſicherte endlich, daß ich nichts weiter zu ſagen habe, und wohl wiſſe, daß ich nichts zu fuͤrch¬
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[507/0523]
ſchuldige Freude, ſo manchen heitern Genuß
gleichſam vor einem Criminalgericht deponi¬
ren ſollte, deſtomehr wuchs die ſchmerzlichſte
Empfindung, ſo daß ich zuletzt in Thraͤnen
ausbrach und mich einer unbaͤndigen Leiden¬
ſchaft uͤberließ. Der Hausfreund, welcher
hoffte, daß eben jetzt das rechte Geheim¬
niß auf dem Wege ſeyn moͤchte ſich zu offen¬
baren (denn er hielt meinen Schmerz fuͤr
ein Symptom, daß ich im Begriff ſtehe
mit Widerwillen ein Ungeheures zu bekennen)
ſuchte mich, da ihm an der Entdeckung alles
gelegen war, aufs beſte zu beruhigen; welches
ihm zwar nur zum Theil gelang, aber doch
inſofern, daß ich meine Geſchichte nothduͤrftig
auserzaͤhlen konnte. Er war, obgleich zufrie¬
den uͤber die Unſchuld der Vorgaͤnge, doch
noch einigermaßen zweifelhaft, und erließ neue
Fragen an mich, die mich abermals aufregten
und in Schmerz und Wuth verſetzten. Ich ver¬
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habe, und wohl wiſſe, daß ich nichts zu fuͤrch¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/523>, abgerufen am 26.11.2024.
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