Der Saalhof ist nach dem Main zu ein regelmäßiges und ansehnliches Gebäude, des¬ sen nach der Stadt gerichteter Theil aber uralt, unregelmäßig und unscheinbar. Kleine, weder in Form noch Größe übereinstimmende, noch auf eine Linie, noch in gleicher Entfer¬ nung gesetzte Fenster, unsymmetrisch angebrachte Thore und Thüren, ein meist in Kramläden verwandeltes Untergeschoß bilden eine verwor¬ rene Außenseite, die von Niemand jemals betrachtet wird. Hier war man nun der zufälligen, unregelmäßigen, unzusammenhän¬ genden Architektur gefolgt, und hatte jedes Fenster, jede Thüre, jede Oeffnung für sich mit Lampen umgeben, wie man es allenfalls bey einem wohlgebauten Hause thun kann, wodurch aber hier die schlechteste und misge¬ bildetste aller Facaden ganz unglaublich in das hellste Licht gesetzt wurde. Hatte man sich nun hieran, wie etwa an den Späßen des Pagliasso ergetzt, obgleich nicht ohne Bedenklichkeiten, weil Jedermann etwas Vor¬
Der Saalhof iſt nach dem Main zu ein regelmaͤßiges und anſehnliches Gebaͤude, deſ¬ ſen nach der Stadt gerichteter Theil aber uralt, unregelmaͤßig und unſcheinbar. Kleine, weder in Form noch Groͤße uͤbereinſtimmende, noch auf eine Linie, noch in gleicher Entfer¬ nung geſetzte Fenſter, unſymmetriſch angebrachte Thore und Thuͤren, ein meiſt in Kramlaͤden verwandeltes Untergeſchoß bilden eine verwor¬ rene Außenſeite, die von Niemand jemals betrachtet wird. Hier war man nun der zufaͤlligen, unregelmaͤßigen, unzuſammenhaͤn¬ genden Architektur gefolgt, und hatte jedes Fenſter, jede Thuͤre, jede Oeffnung fuͤr ſich mit Lampen umgeben, wie man es allenfalls bey einem wohlgebauten Hauſe thun kann, wodurch aber hier die ſchlechteſte und misge¬ bildetſte aller Façaden ganz unglaublich in das hellſte Licht geſetzt wurde. Hatte man ſich nun hieran, wie etwa an den Spaͤßen des Pagliaſſo ergetzt, obgleich nicht ohne Bedenklichkeiten, weil Jedermann etwas Vor¬
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Der Saalhof iſt nach dem Main zu ein
regelmaͤßiges und anſehnliches Gebaͤude, deſ¬
ſen nach der Stadt gerichteter Theil aber
uralt, unregelmaͤßig und unſcheinbar. Kleine,
weder in Form noch Groͤße uͤbereinſtimmende,
noch auf eine Linie, noch in gleicher Entfer¬
nung geſetzte Fenſter, unſymmetriſch angebrachte
Thore und Thuͤren, ein meiſt in Kramlaͤden
verwandeltes Untergeſchoß bilden eine verwor¬
rene Außenſeite, die von Niemand jemals
betrachtet wird. Hier war man nun der
zufaͤlligen, unregelmaͤßigen, unzuſammenhaͤn¬
genden Architektur gefolgt, und hatte jedes
Fenſter, jede Thuͤre, jede Oeffnung fuͤr ſich
mit Lampen umgeben, wie man es allenfalls
bey einem wohlgebauten Hauſe thun kann,
wodurch aber hier die ſchlechteſte und misge¬
bildetſte aller Façaden ganz unglaublich in
das hellſte Licht geſetzt wurde. Hatte man
ſich nun hieran, wie etwa an den Spaͤßen
des Pagliaſſo ergetzt, obgleich nicht ohne
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/512>, abgerufen am 25.11.2024.
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