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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Dagegen aber war der beste und älteste Wein
aus allen Familienkellern herangebracht worden,
so daß wir von dieser Seite wenigstens dieß
alterthümliche Fest alterthümlich feyerten.

Auf dem Platze war jetzt das Sehens¬
würdigste die fertig gewordene und mit roth-
gelb- und weißem Tuch überlegte Brücke,
und wir sollten den Kaiser, den wir zuerst
im Wagen, dann zu Pferde sitzend angestaunt,
nun auch zu Fuße wandelnd bewundern; und
sonderbar genug, auf das letzte freuten wir
uns am meisten; denn uns däuchte diese
Weise sich darzustellen so wie die natürlichste,
so auch die würdigste.

Aeltere Personen, welche der Krönung
Franz des ersten beygewohnt, erzählten: Maria
Theresia, über die Maßen schön, habe jener
Feyerlichkeit an einem Balconfenster des Hauses
Frauenstein, gleich neben dem Römer, zuge¬
sehen. Als nun ihr Gemahl in der seltsamen

Dagegen aber war der beſte und aͤlteſte Wein
aus allen Familienkellern herangebracht worden,
ſo daß wir von dieſer Seite wenigſtens dieß
alterthuͤmliche Feſt alterthuͤmlich feyerten.

Auf dem Platze war jetzt das Sehens¬
wuͤrdigſte die fertig gewordene und mit roth-
gelb- und weißem Tuch uͤberlegte Bruͤcke,
und wir ſollten den Kaiſer, den wir zuerſt
im Wagen, dann zu Pferde ſitzend angeſtaunt,
nun auch zu Fuße wandelnd bewundern; und
ſonderbar genug, auf das letzte freuten wir
uns am meiſten; denn uns daͤuchte dieſe
Weiſe ſich darzuſtellen ſo wie die natuͤrlichſte,
ſo auch die wuͤrdigſte.

Aeltere Perſonen, welche der Kroͤnung
Franz des erſten beygewohnt, erzaͤhlten: Maria
Thereſia, uͤber die Maßen ſchoͤn, habe jener
Feyerlichkeit an einem Balconfenſter des Hauſes
Frauenſtein, gleich neben dem Roͤmer, zuge¬
ſehen. Als nun ihr Gemahl in der ſeltſamen

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[478/0494] Dagegen aber war der beſte und aͤlteſte Wein aus allen Familienkellern herangebracht worden, ſo daß wir von dieſer Seite wenigſtens dieß alterthuͤmliche Feſt alterthuͤmlich feyerten. Auf dem Platze war jetzt das Sehens¬ wuͤrdigſte die fertig gewordene und mit roth- gelb- und weißem Tuch uͤberlegte Bruͤcke, und wir ſollten den Kaiſer, den wir zuerſt im Wagen, dann zu Pferde ſitzend angeſtaunt, nun auch zu Fuße wandelnd bewundern; und ſonderbar genug, auf das letzte freuten wir uns am meiſten; denn uns daͤuchte dieſe Weiſe ſich darzuſtellen ſo wie die natuͤrlichſte, ſo auch die wuͤrdigſte. Aeltere Perſonen, welche der Kroͤnung Franz des erſten beygewohnt, erzaͤhlten: Maria Thereſia, uͤber die Maßen ſchoͤn, habe jener Feyerlichkeit an einem Balconfenſter des Hauſes Frauenſtein, gleich neben dem Roͤmer, zuge¬ ſehen. Als nun ihr Gemahl in der ſeltſamen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/494>, abgerufen am 29.09.2024.