Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Vor unsern Augen fuhren indessen die
Gesandten auf den Römer, aus welchem
der Baldachin von Unteroffizieren in das
kaiserliche Quartier getragen wird. Sogleich
besteigt der Erbmarschall Graf von Pappen¬
heim sein Pferd; ein sehr schöner schlankge¬
bildeter Herr, den die spanische Tracht, das
reiche Wams, der goldne Mantel, der hohe
Federhut und die gestrählten fliegenden Haare
sehr wohl kleideten. Er setzt sich in Bewe¬
gung, und unter dem Geläute aller Glocken
folgen ihm zu Pferde die Gesandten nach
dem kaiserlichen Quartier in noch größerer
Pracht als am Wahltage. Dort hätte
man auch seyn mögen, wie man sich an
diesem Tage durchaus zu vervielfältigen
wünschte. Wir erzählten einander indessen
was dort vorgehe. Nun zieht der Kaiser
seinen Hausornat an, sagten wir, eine neue
Bekleidung nach dem Muster der alten caro¬
lingischen verfertigt. Die Erbämter erhalten
die Reichs-Insignien und setzen sich damit

Vor unſern Augen fuhren indeſſen die
Geſandten auf den Roͤmer, aus welchem
der Baldachin von Unteroffizieren in das
kaiſerliche Quartier getragen wird. Sogleich
beſteigt der Erbmarſchall Graf von Pappen¬
heim ſein Pferd; ein ſehr ſchoͤner ſchlankge¬
bildeter Herr, den die ſpaniſche Tracht, das
reiche Wams, der goldne Mantel, der hohe
Federhut und die geſtraͤhlten fliegenden Haare
ſehr wohl kleideten. Er ſetzt ſich in Bewe¬
gung, und unter dem Gelaͤute aller Glocken
folgen ihm zu Pferde die Geſandten nach
dem kaiſerlichen Quartier in noch groͤßerer
Pracht als am Wahltage. Dort haͤtte
man auch ſeyn moͤgen, wie man ſich an
dieſem Tage durchaus zu vervielfaͤltigen
wuͤnſchte. Wir erzaͤhlten einander indeſſen
was dort vorgehe. Nun zieht der Kaiſer
ſeinen Hausornat an, ſagten wir, eine neue
Bekleidung nach dem Muſter der alten caro¬
lingiſchen verfertigt. Die Erbaͤmter erhalten
die Reichs-Inſignien und ſetzen ſich damit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0491" n="475"/>
        <p>Vor un&#x017F;ern Augen fuhren inde&#x017F;&#x017F;en die<lb/>
Ge&#x017F;andten auf den Ro&#x0364;mer, aus welchem<lb/>
der Baldachin von Unteroffizieren in das<lb/>
kai&#x017F;erliche Quartier getragen wird. Sogleich<lb/>
be&#x017F;teigt der Erbmar&#x017F;chall Graf von Pappen¬<lb/>
heim &#x017F;ein Pferd; ein &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;ner &#x017F;chlankge¬<lb/>
bildeter Herr, den die &#x017F;pani&#x017F;che Tracht, das<lb/>
reiche Wams, der goldne Mantel, der hohe<lb/>
Federhut und die ge&#x017F;tra&#x0364;hlten fliegenden Haare<lb/>
&#x017F;ehr wohl kleideten. Er &#x017F;etzt &#x017F;ich in Bewe¬<lb/>
gung, und unter dem Gela&#x0364;ute aller Glocken<lb/>
folgen ihm zu Pferde die Ge&#x017F;andten nach<lb/>
dem kai&#x017F;erlichen Quartier in noch gro&#x0364;ßerer<lb/>
Pracht als am Wahltage. Dort ha&#x0364;tte<lb/>
man auch &#x017F;eyn mo&#x0364;gen, wie man &#x017F;ich an<lb/>
die&#x017F;em Tage durchaus zu vervielfa&#x0364;ltigen<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chte. Wir erza&#x0364;hlten einander inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
was dort vorgehe. Nun zieht der Kai&#x017F;er<lb/>
&#x017F;einen Hausornat an, &#x017F;agten wir, eine neue<lb/>
Bekleidung nach dem Mu&#x017F;ter der alten caro¬<lb/>
lingi&#x017F;chen verfertigt. Die Erba&#x0364;mter erhalten<lb/>
die Reichs-In&#x017F;ignien und &#x017F;etzen &#x017F;ich damit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[475/0491] Vor unſern Augen fuhren indeſſen die Geſandten auf den Roͤmer, aus welchem der Baldachin von Unteroffizieren in das kaiſerliche Quartier getragen wird. Sogleich beſteigt der Erbmarſchall Graf von Pappen¬ heim ſein Pferd; ein ſehr ſchoͤner ſchlankge¬ bildeter Herr, den die ſpaniſche Tracht, das reiche Wams, der goldne Mantel, der hohe Federhut und die geſtraͤhlten fliegenden Haare ſehr wohl kleideten. Er ſetzt ſich in Bewe¬ gung, und unter dem Gelaͤute aller Glocken folgen ihm zu Pferde die Geſandten nach dem kaiſerlichen Quartier in noch groͤßerer Pracht als am Wahltage. Dort haͤtte man auch ſeyn moͤgen, wie man ſich an dieſem Tage durchaus zu vervielfaͤltigen wuͤnſchte. Wir erzaͤhlten einander indeſſen was dort vorgehe. Nun zieht der Kaiſer ſeinen Hausornat an, ſagten wir, eine neue Bekleidung nach dem Muſter der alten caro¬ lingiſchen verfertigt. Die Erbaͤmter erhalten die Reichs-Inſignien und ſetzen ſich damit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/491
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/491>, abgerufen am 24.11.2024.