Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Jedermann wegen seiner schönen Jüng¬
lingsgestalt geneigt war, und auf den die
Welt, bey den hohen Eigenschaften die er an¬
kündigte, die größten Hoffnungen setzte.

Wir hatten uns ganz in die Vergang¬
genheit und Zukunft verloren, als einige her¬
eintretende Freunde uns wieder in die Gegen¬
wart zurückriefen. Sie waren von denen
die den Werth einer Neuigkeit einsehen, und
sich deswegen beeilen sie zuerst zu verkündigen.
Sie wußten auch einen schönen menschlichen Zug
dieser hohen Personen zu erzählen, die wir so
eben in dem größten Prunk vorbeyziehen ge¬
sehn. Es war nämlich verabredet worden,
daß unterwegs, zwischen Heusenstamm und je¬
nem großen Gezelte, Kaiser und König den
Landgrafen von Darmstadt im Wald antref¬
fen sollten. Dieser alte, dem Grabe sich nä¬
hernde Fürst wollte noch einmal den Herrn
sehen, dem er in früherer Zeit sich gewidmet.
Beyde mochten sich jenes Tages erinnern, als

dem Jedermann wegen ſeiner ſchoͤnen Juͤng¬
lingsgeſtalt geneigt war, und auf den die
Welt, bey den hohen Eigenſchaften die er an¬
kuͤndigte, die groͤßten Hoffnungen ſetzte.

Wir hatten uns ganz in die Vergang¬
genheit und Zukunft verloren, als einige her¬
eintretende Freunde uns wieder in die Gegen¬
wart zuruͤckriefen. Sie waren von denen
die den Werth einer Neuigkeit einſehen, und
ſich deswegen beeilen ſie zuerſt zu verkuͤndigen.
Sie wußten auch einen ſchoͤnen menſchlichen Zug
dieſer hohen Perſonen zu erzaͤhlen, die wir ſo
eben in dem groͤßten Prunk vorbeyziehen ge¬
ſehn. Es war naͤmlich verabredet worden,
daß unterwegs, zwiſchen Heuſenſtamm und je¬
nem großen Gezelte, Kaiſer und Koͤnig den
Landgrafen von Darmſtadt im Wald antref¬
fen ſollten. Dieſer alte, dem Grabe ſich naͤ¬
hernde Fuͤrſt wollte noch einmal den Herrn
ſehen, dem er in fruͤherer Zeit ſich gewidmet.
Beyde mochten ſich jenes Tages erinnern, als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0479" n="463"/>
dem Jedermann wegen &#x017F;einer &#x017F;cho&#x0364;nen Ju&#x0364;ng¬<lb/>
lingsge&#x017F;talt geneigt war, und auf den die<lb/>
Welt, bey den hohen Eigen&#x017F;chaften die er an¬<lb/>
ku&#x0364;ndigte, die gro&#x0364;ßten Hoffnungen &#x017F;etzte.</p><lb/>
        <p>Wir hatten uns ganz in die Vergang¬<lb/>
genheit und Zukunft verloren, als einige her¬<lb/>
eintretende Freunde uns wieder in die Gegen¬<lb/>
wart zuru&#x0364;ckriefen. Sie waren von denen<lb/>
die den Werth einer Neuigkeit ein&#x017F;ehen, und<lb/>
&#x017F;ich deswegen beeilen &#x017F;ie zuer&#x017F;t zu verku&#x0364;ndigen.<lb/>
Sie wußten auch einen &#x017F;cho&#x0364;nen men&#x017F;chlichen Zug<lb/>
die&#x017F;er hohen Per&#x017F;onen zu erza&#x0364;hlen, die wir &#x017F;o<lb/>
eben in dem gro&#x0364;ßten Prunk vorbeyziehen ge¬<lb/>
&#x017F;ehn. Es war na&#x0364;mlich verabredet worden,<lb/>
daß unterwegs, zwi&#x017F;chen Heu&#x017F;en&#x017F;tamm und je¬<lb/>
nem großen Gezelte, Kai&#x017F;er und Ko&#x0364;nig den<lb/>
Landgrafen von Darm&#x017F;tadt im Wald antref¬<lb/>
fen &#x017F;ollten. Die&#x017F;er alte, dem Grabe &#x017F;ich na&#x0364;¬<lb/>
hernde Fu&#x0364;r&#x017F;t wollte noch einmal den Herrn<lb/>
&#x017F;ehen, dem er in fru&#x0364;herer Zeit &#x017F;ich gewidmet.<lb/>
Beyde mochten &#x017F;ich jenes Tages erinnern, als<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[463/0479] dem Jedermann wegen ſeiner ſchoͤnen Juͤng¬ lingsgeſtalt geneigt war, und auf den die Welt, bey den hohen Eigenſchaften die er an¬ kuͤndigte, die groͤßten Hoffnungen ſetzte. Wir hatten uns ganz in die Vergang¬ genheit und Zukunft verloren, als einige her¬ eintretende Freunde uns wieder in die Gegen¬ wart zuruͤckriefen. Sie waren von denen die den Werth einer Neuigkeit einſehen, und ſich deswegen beeilen ſie zuerſt zu verkuͤndigen. Sie wußten auch einen ſchoͤnen menſchlichen Zug dieſer hohen Perſonen zu erzaͤhlen, die wir ſo eben in dem groͤßten Prunk vorbeyziehen ge¬ ſehn. Es war naͤmlich verabredet worden, daß unterwegs, zwiſchen Heuſenſtamm und je¬ nem großen Gezelte, Kaiſer und Koͤnig den Landgrafen von Darmſtadt im Wald antref¬ fen ſollten. Dieſer alte, dem Grabe ſich naͤ¬ hernde Fuͤrſt wollte noch einmal den Herrn ſehen, dem er in fruͤherer Zeit ſich gewidmet. Beyde mochten ſich jenes Tages erinnern, als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/479
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/479>, abgerufen am 28.11.2024.