waren in Kirche, Chor und Conclave so viel, bis es zur Beschwörung der Wahlcapitulation kam, daß wir Zeit genug hatten, eine vortreff¬ liche Collation einzunehmen, und auf die Ge¬ sundheit des alten und jungen Herrschers manche Flasche zu leeren. Das Gespräch verlor sich indeß, wie es bey solchen Gelegen¬ heiten zu gehen pflegt, in die vergangene Zeit, und es fehlte nicht an bejahrten Personen, welche jener vor der gegenwärtigen den Vorzug gaben, wenigstens in Absicht auf ein gewisses menschliches Interesse und einer leidenschaft¬ lichen Theilnahme, welche dabey vorgewaltet. Bey Franz des ersten Krönung war noch nicht alles so ausgemacht, wie gegenwärtig; der Frie¬ de war noch nicht abgeschlossen, Frankreich, Chur-Brandenburg und Chur-Pfalz widersetz¬ ten sich der Wahl; die Truppen des künftigen Kaisers standen bey Heidelberg, wo er sein Hauptquartier hatte, und fast wären die von Aachen heraufkommenden Reichs-Insignien von den Pfälzern weggenommen worden. Indes¬
waren in Kirche, Chor und Conclave ſo viel, bis es zur Beſchwoͤrung der Wahlcapitulation kam, daß wir Zeit genug hatten, eine vortreff¬ liche Collation einzunehmen, und auf die Ge¬ ſundheit des alten und jungen Herrſchers manche Flaſche zu leeren. Das Geſpraͤch verlor ſich indeß, wie es bey ſolchen Gelegen¬ heiten zu gehen pflegt, in die vergangene Zeit, und es fehlte nicht an bejahrten Perſonen, welche jener vor der gegenwaͤrtigen den Vorzug gaben, wenigſtens in Abſicht auf ein gewiſſes menſchliches Intereſſe und einer leidenſchaft¬ lichen Theilnahme, welche dabey vorgewaltet. Bey Franz des erſten Kroͤnung war noch nicht alles ſo ausgemacht, wie gegenwaͤrtig; der Frie¬ de war noch nicht abgeſchloſſen, Frankreich, Chur-Brandenburg und Chur-Pfalz widerſetz¬ ten ſich der Wahl; die Truppen des kuͤnftigen Kaiſers ſtanden bey Heidelberg, wo er ſein Hauptquartier hatte, und faſt waͤren die von Aachen heraufkommenden Reichs-Inſignien von den Pfaͤlzern weggenommen worden. Indeſ¬
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waren in Kirche, Chor und Conclave ſo viel,
bis es zur Beſchwoͤrung der Wahlcapitulation
kam, daß wir Zeit genug hatten, eine vortreff¬
liche Collation einzunehmen, und auf die Ge¬
ſundheit des alten und jungen Herrſchers
manche Flaſche zu leeren. Das Geſpraͤch
verlor ſich indeß, wie es bey ſolchen Gelegen¬
heiten zu gehen pflegt, in die vergangene Zeit,
und es fehlte nicht an bejahrten Perſonen,
welche jener vor der gegenwaͤrtigen den Vorzug
gaben, wenigſtens in Abſicht auf ein gewiſſes
menſchliches Intereſſe und einer leidenſchaft¬
lichen Theilnahme, welche dabey vorgewaltet.
Bey Franz des erſten Kroͤnung war noch nicht
alles ſo ausgemacht, wie gegenwaͤrtig; der Frie¬
de war noch nicht abgeſchloſſen, Frankreich,
Chur-Brandenburg und Chur-Pfalz widerſetz¬
ten ſich der Wahl; die Truppen des kuͤnftigen
Kaiſers ſtanden bey Heidelberg, wo er ſein
Hauptquartier hatte, und faſt waͤren die von
Aachen heraufkommenden Reichs-Inſignien von
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/476>, abgerufen am 24.11.2024.
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