Sehen, Deuten und Hinweisen gar nicht zu sich selbst, so daß die nicht minder prächtig gekleideten Leibgarden der Churfürsten kaum beachtet wurden; ja wir hätten uns vielleicht von den Fenstern zurückgezogen, wenn wir nicht noch unsern Magistrat, der in funfzehn zweyspännigen Kutschen den Zug beschloß, und besonders in der letzten den Rathsschrei¬ ber mit den Stadtschlüsseln auf rothsammtenem Kissen hätten in Augenschein nehmen wollen. Daß unsere Stadtgrenadier-Compagnie das Ende deckte, däuchte uns auch ehrenvoll genug, und wir fühlten uns als Deutsche und als Frankfurter von diesem Ehrentag doppelt und höchlich erbaut.
Wir hatten in einem Hause Platz genom¬ men, wo der Aufzug, wenn er aus dem Dom zurückkam, ebenfalls wieder an uns vorbey mußte. Des Gottesdienstes, der Musik, der Ceremonien und Feyerlichkeiten, der Anreden und Antworten, der Vorträge und Vorlesungen
Sehen, Deuten und Hinweiſen gar nicht zu ſich ſelbſt, ſo daß die nicht minder praͤchtig gekleideten Leibgarden der Churfuͤrſten kaum beachtet wurden; ja wir haͤtten uns vielleicht von den Fenſtern zuruͤckgezogen, wenn wir nicht noch unſern Magiſtrat, der in funfzehn zweyſpaͤnnigen Kutſchen den Zug beſchloß, und beſonders in der letzten den Rathsſchrei¬ ber mit den Stadtſchluͤſſeln auf rothſammtenem Kiſſen haͤtten in Augenſchein nehmen wollen. Daß unſere Stadtgrenadier-Compagnie das Ende deckte, daͤuchte uns auch ehrenvoll genug, und wir fuͤhlten uns als Deutſche und als Frankfurter von dieſem Ehrentag doppelt und hoͤchlich erbaut.
Wir hatten in einem Hauſe Platz genom¬ men, wo der Aufzug, wenn er aus dem Dom zuruͤckkam, ebenfalls wieder an uns vorbey mußte. Des Gottesdienſtes, der Muſik, der Ceremonien und Feyerlichkeiten, der Anreden und Antworten, der Vortraͤge und Vorleſungen
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Sehen, Deuten und Hinweiſen gar nicht zu
ſich ſelbſt, ſo daß die nicht minder praͤchtig
gekleideten Leibgarden der Churfuͤrſten kaum
beachtet wurden; ja wir haͤtten uns vielleicht
von den Fenſtern zuruͤckgezogen, wenn wir
nicht noch unſern Magiſtrat, der in funfzehn
zweyſpaͤnnigen Kutſchen den Zug beſchloß,
und beſonders in der letzten den Rathsſchrei¬
ber mit den Stadtſchluͤſſeln auf rothſammtenem
Kiſſen haͤtten in Augenſchein nehmen wollen.
Daß unſere Stadtgrenadier-Compagnie das
Ende deckte, daͤuchte uns auch ehrenvoll genug,
und wir fuͤhlten uns als Deutſche und als
Frankfurter von dieſem Ehrentag doppelt und
hoͤchlich erbaut.
Wir hatten in einem Hauſe Platz genom¬
men, wo der Aufzug, wenn er aus dem Dom
zuruͤckkam, ebenfalls wieder an uns vorbey
mußte. Des Gottesdienſtes, der Muſik, der
Ceremonien und Feyerlichkeiten, der Anreden
und Antworten, der Vortraͤge und Vorleſungen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/475>, abgerufen am 24.11.2024.
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