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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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und daß ich meinen Plan nicht ohne Bezug
auf sie gedacht und ausgesprochen, kann man
sich leicht denken, und die Neigung zu ihr
gab dem was ich sagte, einen Anschein von
Wahrheit und Möglichkeit, daß ich mich
selbst einen Augenblick täuschte, mich so ab¬
gesondert und hülfslos dachte, wie mein
Mährchen mich voraussetzte, und mich dabey
in der Aussicht sie zu besitzen höchst glücklich
fühlte. Pylades hatte seine Confession mit
der Heirat geendigt, und bey uns andern war
nun auch die Frage, ob wir es in unsern
Planen so weit gebracht hätten. Ich zweifle
ganz und gar nicht daran, sagte ich: denn ei¬
gentlich ist einem Jeden von uns eine Frau
nöthig, um das im Hause zu bewahren und
uns im Ganzen genießen zu lassen, was
wir von außen auf eine so wunderliche Weise
zusammenstoppeln. Ich machte die Schilde¬
rung von einer Gattinn, wie ich sie wünschte,
und es müßte seltsam zugegangen seyn, wenn

und daß ich meinen Plan nicht ohne Bezug
auf ſie gedacht und ausgeſprochen, kann man
ſich leicht denken, und die Neigung zu ihr
gab dem was ich ſagte, einen Anſchein von
Wahrheit und Moͤglichkeit, daß ich mich
ſelbſt einen Augenblick taͤuſchte, mich ſo ab¬
geſondert und huͤlfslos dachte, wie mein
Maͤhrchen mich vorausſetzte, und mich dabey
in der Ausſicht ſie zu beſitzen hoͤchſt gluͤcklich
fuͤhlte. Pylades hatte ſeine Confeſſion mit
der Heirat geendigt, und bey uns andern war
nun auch die Frage, ob wir es in unſern
Planen ſo weit gebracht haͤtten. Ich zweifle
ganz und gar nicht daran, ſagte ich: denn ei¬
gentlich iſt einem Jeden von uns eine Frau
noͤthig, um das im Hauſe zu bewahren und
uns im Ganzen genießen zu laſſen, was
wir von außen auf eine ſo wunderliche Weiſe
zuſammenſtoppeln. Ich machte die Schilde¬
rung von einer Gattinn, wie ich ſie wuͤnſchte,
und es muͤßte ſeltſam zugegangen ſeyn, wenn

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[414/0430] und daß ich meinen Plan nicht ohne Bezug auf ſie gedacht und ausgeſprochen, kann man ſich leicht denken, und die Neigung zu ihr gab dem was ich ſagte, einen Anſchein von Wahrheit und Moͤglichkeit, daß ich mich ſelbſt einen Augenblick taͤuſchte, mich ſo ab¬ geſondert und huͤlfslos dachte, wie mein Maͤhrchen mich vorausſetzte, und mich dabey in der Ausſicht ſie zu beſitzen hoͤchſt gluͤcklich fuͤhlte. Pylades hatte ſeine Confeſſion mit der Heirat geendigt, und bey uns andern war nun auch die Frage, ob wir es in unſern Planen ſo weit gebracht haͤtten. Ich zweifle ganz und gar nicht daran, ſagte ich: denn ei¬ gentlich iſt einem Jeden von uns eine Frau noͤthig, um das im Hauſe zu bewahren und uns im Ganzen genießen zu laſſen, was wir von außen auf eine ſo wunderliche Weiſe zuſammenſtoppeln. Ich machte die Schilde¬ rung von einer Gattinn, wie ich ſie wuͤnſchte, und es muͤßte ſeltſam zugegangen ſeyn, wenn

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/430>, abgerufen am 25.11.2024.