Für alle Vögel giebt es Lockspeisen, und jeder Mensch wird auf seine eigene Art ge¬ leitet und verleitet. Natur, Erziehung, Um¬ gebung, Gewohnheit hielten mich von allem Rohen abgesondert, und ob ich gleich mit den untern Volks-Classen, besonders den Handwerkern, öfters in Berührung kam, so entstand doch daraus kein näheres Verhält¬ niß. Etwas Ungewöhnliches, vielleicht Ge¬ fährliches zu unternehmen, hatte ich zwar Verwegenheit genug, und fühlte mich wohl manchmal dazu aufgelegt; allein es mangelte mir die Handhabe es anzugreifen und zu fassen.
Indessen wurde ich auf eine völlig uner¬ wartete Weise in Verhältnisse verwickelt, die mich ganz nahe an große Gefahr, und we¬
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Fuͤr alle Voͤgel giebt es Lockſpeiſen, und jeder Menſch wird auf ſeine eigene Art ge¬ leitet und verleitet. Natur, Erziehung, Um¬ gebung, Gewohnheit hielten mich von allem Rohen abgeſondert, und ob ich gleich mit den untern Volks-Claſſen, beſonders den Handwerkern, oͤfters in Beruͤhrung kam, ſo entſtand doch daraus kein naͤheres Verhaͤlt¬ niß. Etwas Ungewoͤhnliches, vielleicht Ge¬ faͤhrliches zu unternehmen, hatte ich zwar Verwegenheit genug, und fuͤhlte mich wohl manchmal dazu aufgelegt; allein es mangelte mir die Handhabe es anzugreifen und zu faſſen.
Indeſſen wurde ich auf eine voͤllig uner¬ wartete Weiſe in Verhaͤltniſſe verwickelt, die mich ganz nahe an große Gefahr, und we¬
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[[387]/0403]
Fuͤr alle Voͤgel giebt es Lockſpeiſen, und
jeder Menſch wird auf ſeine eigene Art ge¬
leitet und verleitet. Natur, Erziehung, Um¬
gebung, Gewohnheit hielten mich von allem
Rohen abgeſondert, und ob ich gleich mit
den untern Volks-Claſſen, beſonders den
Handwerkern, oͤfters in Beruͤhrung kam, ſo
entſtand doch daraus kein naͤheres Verhaͤlt¬
niß. Etwas Ungewoͤhnliches, vielleicht Ge¬
faͤhrliches zu unternehmen, hatte ich zwar
Verwegenheit genug, und fuͤhlte mich wohl
manchmal dazu aufgelegt; allein es mangelte
mir die Handhabe es anzugreifen und zu faſſen.
Indeſſen wurde ich auf eine voͤllig uner¬
wartete Weiſe in Verhaͤltniſſe verwickelt, die
mich ganz nahe an große Gefahr, und we¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. [387]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/403>, abgerufen am 24.11.2024.
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