Von Reineck war auch ein Nelkenfreund; die Zeit des Flors war da, und es geschahen einige Anregungen, ob man sich nicht wech¬ selseitig besuchen wollte. Wir leiteten die Sache ein und trieben es so lange, bis end¬ lich von Reineck sich entschloß mit uns einen Sonntag Nachmittag hinaus zu fahren. Die Begrüßung der beyden alten Herren war sehr laconisch, ja blos pantomimisch, und man ging mit wahrhaft diplomatischem Schritt an den langen Nelkengerüsten hin und her. Der Flor war wirklich außerordentlich schön, und die besondern Formen und Farben der verschiedenen Blumen, die Vorzüge der einen vor der andern und ihre Seltenheit machten denn doch zuletzt eine Art von Gespräch aus, welches ganz freundlich zu werden schien; worüber wir andern uns um so mehr freuten, als wir in einer benachbarten Laube den kost¬ barsten alten Rheinwein in geschliffenen Fla¬ schen, schönes Obst und andre gute Dinge aufgetischt sahen. Leider aber sollten wir sie
Von Reineck war auch ein Nelkenfreund; die Zeit des Flors war da, und es geſchahen einige Anregungen, ob man ſich nicht wech¬ ſelſeitig beſuchen wollte. Wir leiteten die Sache ein und trieben es ſo lange, bis end¬ lich von Reineck ſich entſchloß mit uns einen Sonntag Nachmittag hinaus zu fahren. Die Begruͤßung der beyden alten Herren war ſehr laconiſch, ja blos pantomimiſch, und man ging mit wahrhaft diplomatiſchem Schritt an den langen Nelkengeruͤſten hin und her. Der Flor war wirklich außerordentlich ſchoͤn, und die beſondern Formen und Farben der verſchiedenen Blumen, die Vorzuͤge der einen vor der andern und ihre Seltenheit machten denn doch zuletzt eine Art von Geſpraͤch aus, welches ganz freundlich zu werden ſchien; woruͤber wir andern uns um ſo mehr freuten, als wir in einer benachbarten Laube den koſt¬ barſten alten Rheinwein in geſchliffenen Fla¬ ſchen, ſchoͤnes Obſt und andre gute Dinge aufgetiſcht ſahen. Leider aber ſollten wir ſie
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Von Reineck war auch ein Nelkenfreund;
die Zeit des Flors war da, und es geſchahen
einige Anregungen, ob man ſich nicht wech¬
ſelſeitig beſuchen wollte. Wir leiteten die
Sache ein und trieben es ſo lange, bis end¬
lich von Reineck ſich entſchloß mit uns einen
Sonntag Nachmittag hinaus zu fahren. Die
Begruͤßung der beyden alten Herren war
ſehr laconiſch, ja blos pantomimiſch, und
man ging mit wahrhaft diplomatiſchem Schritt
an den langen Nelkengeruͤſten hin und her.
Der Flor war wirklich außerordentlich ſchoͤn,
und die beſondern Formen und Farben der
verſchiedenen Blumen, die Vorzuͤge der einen
vor der andern und ihre Seltenheit machten
denn doch zuletzt eine Art von Geſpraͤch aus,
welches ganz freundlich zu werden ſchien;
woruͤber wir andern uns um ſo mehr freuten,
als wir in einer benachbarten Laube den koſt¬
barſten alten Rheinwein in geſchliffenen Fla¬
ſchen, ſchoͤnes Obſt und andre gute Dinge
aufgetiſcht ſahen. Leider aber ſollten wir ſie
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/392>, abgerufen am 05.07.2024.
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