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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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nur nach jener schon abgebildeten, oder aus
dem Gedächtniß, das ihm aber bey einer
sehr langen und emsigen Praxis gar wohl
zu Hülfe kam. Beyde Gemälde waren nun
fertig, und wir hatten eine entschiedene
Freude an dem letzten, das wirklich kunstrei¬
cher und mehr in die Augen fiel. Der Va¬
ter ward anstatt mit einem mit zwey Stü¬
cken überrascht und ihm die Wahl gelassen.
Er billigte unsere Meynung und die Gründe
derselben, besonders auch den guten Willen
und die Thätigkeit: entschied sich aber, nach¬
dem er beyde Bilder einige Tage betrachtet,
für das erste, ohne über diese Wahl weiter
viele Worte zu machen. Der Künstler ärger¬
lich, nahm sein zweytes wohlgemeintes Bild
zurück, und konnte sich gegen mich der Be¬
merkung nicht enthalten, daß die gute eichne
Tafel, worauf das erste gemalt stehe, zum
Entschluß des Vaters gewiß das Ihrige bey¬
getragen habe.

nur nach jener ſchon abgebildeten, oder aus
dem Gedaͤchtniß, das ihm aber bey einer
ſehr langen und emſigen Praxis gar wohl
zu Huͤlfe kam. Beyde Gemaͤlde waren nun
fertig, und wir hatten eine entſchiedene
Freude an dem letzten, das wirklich kunſtrei¬
cher und mehr in die Augen fiel. Der Va¬
ter ward anſtatt mit einem mit zwey Stuͤ¬
cken uͤberraſcht und ihm die Wahl gelaſſen.
Er billigte unſere Meynung und die Gruͤnde
derſelben, beſonders auch den guten Willen
und die Thaͤtigkeit: entſchied ſich aber, nach¬
dem er beyde Bilder einige Tage betrachtet,
fuͤr das erſte, ohne uͤber dieſe Wahl weiter
viele Worte zu machen. Der Kuͤnſtler aͤrger¬
lich, nahm ſein zweytes wohlgemeintes Bild
zuruͤck, und konnte ſich gegen mich der Be¬
merkung nicht enthalten, daß die gute eichne
Tafel, worauf das erſte gemalt ſtehe, zum
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[364/0380] nur nach jener ſchon abgebildeten, oder aus dem Gedaͤchtniß, das ihm aber bey einer ſehr langen und emſigen Praxis gar wohl zu Huͤlfe kam. Beyde Gemaͤlde waren nun fertig, und wir hatten eine entſchiedene Freude an dem letzten, das wirklich kunſtrei¬ cher und mehr in die Augen fiel. Der Va¬ ter ward anſtatt mit einem mit zwey Stuͤ¬ cken uͤberraſcht und ihm die Wahl gelaſſen. Er billigte unſere Meynung und die Gruͤnde derſelben, beſonders auch den guten Willen und die Thaͤtigkeit: entſchied ſich aber, nach¬ dem er beyde Bilder einige Tage betrachtet, fuͤr das erſte, ohne uͤber dieſe Wahl weiter viele Worte zu machen. Der Kuͤnſtler aͤrger¬ lich, nahm ſein zweytes wohlgemeintes Bild zuruͤck, und konnte ſich gegen mich der Be¬ merkung nicht enthalten, daß die gute eichne Tafel, worauf das erſte gemalt ſtehe, zum Entſchluß des Vaters gewiß das Ihrige bey¬ getragen habe.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/380>, abgerufen am 26.11.2024.