Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

immer ungeduldiger, und ich mußte wöchent¬
lich ein paarmal, ja zuletzt fast täglich den
saumseligen Künstler besuchen. Durch mein
unablässiges Quälen und Zureden rückte die
Arbeit, wiewohl langsam genug, vorwärts:
denn weil sie von der Art war, daß man sie
bald vornehmen, bald wieder aus den Hän¬
den legen konnte, so fand sich immer etwas,
wodurch sie verdrängt und bey Seite gescho¬
ben wurde.

Die Hauptursache dieses Benehmens in¬
deß war eine Arbeit, die der Künstler für
eigene Rechnung unternommen hatte. Jeder¬
mann wußte, daß Kaiser Franz eine große
Neigung zu Juwelen, besonders auch zu far¬
bigen Steinen hege. Lautensak hatte eine
ansehnliche Summe, und wie sich später
fand, größer als sein Vermögen auf derglei¬
chen Edelsteine verwandt, und daraus einen
Blumenstrauß zu bilden angefangen, in wel¬
chem jeder Stein nach seiner Form und

immer ungeduldiger, und ich mußte woͤchent¬
lich ein paarmal, ja zuletzt faſt taͤglich den
ſaumſeligen Kuͤnſtler beſuchen. Durch mein
unablaͤſſiges Quaͤlen und Zureden ruͤckte die
Arbeit, wiewohl langſam genug, vorwaͤrts:
denn weil ſie von der Art war, daß man ſie
bald vornehmen, bald wieder aus den Haͤn¬
den legen konnte, ſo fand ſich immer etwas,
wodurch ſie verdraͤngt und bey Seite geſcho¬
ben wurde.

Die Haupturſache dieſes Benehmens in¬
deß war eine Arbeit, die der Kuͤnſtler fuͤr
eigene Rechnung unternommen hatte. Jeder¬
mann wußte, daß Kaiſer Franz eine große
Neigung zu Juwelen, beſonders auch zu far¬
bigen Steinen hege. Lautenſak hatte eine
anſehnliche Summe, und wie ſich ſpaͤter
fand, groͤßer als ſein Vermoͤgen auf derglei¬
chen Edelſteine verwandt, und daraus einen
Blumenſtrauß zu bilden angefangen, in wel¬
chem jeder Stein nach ſeiner Form und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0374" n="358"/>
immer ungeduldiger, und ich mußte wo&#x0364;chent¬<lb/>
lich ein paarmal, ja zuletzt fa&#x017F;t ta&#x0364;glich den<lb/>
&#x017F;aum&#x017F;eligen Ku&#x0364;n&#x017F;tler be&#x017F;uchen. Durch mein<lb/>
unabla&#x0364;&#x017F;&#x017F;iges Qua&#x0364;len und Zureden ru&#x0364;ckte die<lb/>
Arbeit, wiewohl lang&#x017F;am genug, vorwa&#x0364;rts:<lb/>
denn weil &#x017F;ie von der Art war, daß man &#x017F;ie<lb/>
bald vornehmen, bald wieder aus den Ha&#x0364;<lb/>
den legen konnte, &#x017F;o fand &#x017F;ich immer etwas,<lb/>
wodurch &#x017F;ie verdra&#x0364;ngt und bey Seite ge&#x017F;cho¬<lb/>
ben wurde.</p><lb/>
        <p>Die Hauptur&#x017F;ache die&#x017F;es Benehmens in¬<lb/>
deß war eine Arbeit, die der Ku&#x0364;n&#x017F;tler fu&#x0364;r<lb/>
eigene Rechnung unternommen hatte. Jeder¬<lb/>
mann wußte, daß Kai&#x017F;er Franz eine große<lb/>
Neigung zu Juwelen, be&#x017F;onders auch zu far¬<lb/>
bigen Steinen hege. Lauten&#x017F;ak hatte eine<lb/>
an&#x017F;ehnliche Summe, und wie &#x017F;ich &#x017F;pa&#x0364;ter<lb/>
fand, gro&#x0364;ßer als &#x017F;ein Vermo&#x0364;gen auf derglei¬<lb/>
chen Edel&#x017F;teine verwandt, und daraus einen<lb/>
Blumen&#x017F;trauß zu bilden angefangen, in wel¬<lb/>
chem jeder Stein nach &#x017F;einer Form und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[358/0374] immer ungeduldiger, und ich mußte woͤchent¬ lich ein paarmal, ja zuletzt faſt taͤglich den ſaumſeligen Kuͤnſtler beſuchen. Durch mein unablaͤſſiges Quaͤlen und Zureden ruͤckte die Arbeit, wiewohl langſam genug, vorwaͤrts: denn weil ſie von der Art war, daß man ſie bald vornehmen, bald wieder aus den Haͤn¬ den legen konnte, ſo fand ſich immer etwas, wodurch ſie verdraͤngt und bey Seite geſcho¬ ben wurde. Die Haupturſache dieſes Benehmens in¬ deß war eine Arbeit, die der Kuͤnſtler fuͤr eigene Rechnung unternommen hatte. Jeder¬ mann wußte, daß Kaiſer Franz eine große Neigung zu Juwelen, beſonders auch zu far¬ bigen Steinen hege. Lautenſak hatte eine anſehnliche Summe, und wie ſich ſpaͤter fand, groͤßer als ſein Vermoͤgen auf derglei¬ chen Edelſteine verwandt, und daraus einen Blumenſtrauß zu bilden angefangen, in wel¬ chem jeder Stein nach ſeiner Form und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/374
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/374>, abgerufen am 27.11.2024.