Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

schweifungen zurückzuführen; zuletzt aber schien
es ihn selbst zu unterhalten. Er kam nach
seiner Art nicht aus dem Husten und Lachen,
und wiewohl er sich sehr hüthete mir eine
Auskunft zu geben, die ihn hätte compromit¬
tiren können, so ließ meine Zudringlichkeit
doch nicht nach; ja da mir mehr daran gele¬
gen war, meine Zweifel vorzubringen als
die Auflösung derselben zu erfahren, so wurde
ich immer lebhafter und kühner, wozu er
mich durch sein Betragen zu berechtigen schien.
Uebrigens konnte ich nichts aus ihm bringen,
als daß er ein über das andre Mal mit
seinem bauchschütternden Lachen ausrief: "Er
närrischer Kerl! Er närrischer Junge!"

Indessen mochte ihm meine, die Bibel
nach allen Seiten durchkreuzende, kindische
Lebhaftigkeit doch ziemlich ernsthaft und eini¬
ger Nachhülfe werth geschienen haben. Er
verwies mich daher nach einiger Zeit auf das
große englische Bibelwerk, welches in seiner

ſchweifungen zuruͤckzufuͤhren; zuletzt aber ſchien
es ihn ſelbſt zu unterhalten. Er kam nach
ſeiner Art nicht aus dem Huſten und Lachen,
und wiewohl er ſich ſehr huͤthete mir eine
Auskunft zu geben, die ihn haͤtte compromit¬
tiren koͤnnen, ſo ließ meine Zudringlichkeit
doch nicht nach; ja da mir mehr daran gele¬
gen war, meine Zweifel vorzubringen als
die Aufloͤſung derſelben zu erfahren, ſo wurde
ich immer lebhafter und kuͤhner, wozu er
mich durch ſein Betragen zu berechtigen ſchien.
Uebrigens konnte ich nichts aus ihm bringen,
als daß er ein uͤber das andre Mal mit
ſeinem bauchſchuͤtternden Lachen ausrief: „Er
naͤrriſcher Kerl! Er naͤrriſcher Junge!“

Indeſſen mochte ihm meine, die Bibel
nach allen Seiten durchkreuzende, kindiſche
Lebhaftigkeit doch ziemlich ernſthaft und eini¬
ger Nachhuͤlfe werth geſchienen haben. Er
verwies mich daher nach einiger Zeit auf das
große engliſche Bibelwerk, welches in ſeiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0314" n="298"/>
&#x017F;chweifungen zuru&#x0364;ckzufu&#x0364;hren; zuletzt aber &#x017F;chien<lb/>
es ihn &#x017F;elb&#x017F;t zu unterhalten. Er kam nach<lb/>
&#x017F;einer Art nicht aus dem Hu&#x017F;ten und Lachen,<lb/>
und wiewohl er &#x017F;ich &#x017F;ehr hu&#x0364;thete mir eine<lb/>
Auskunft zu geben, die ihn ha&#x0364;tte compromit¬<lb/>
tiren ko&#x0364;nnen, &#x017F;o ließ meine Zudringlichkeit<lb/>
doch nicht nach; ja da mir mehr daran gele¬<lb/>
gen war, meine Zweifel vorzubringen als<lb/>
die Auflo&#x0364;&#x017F;ung der&#x017F;elben zu erfahren, &#x017F;o wurde<lb/>
ich immer lebhafter und ku&#x0364;hner, wozu er<lb/>
mich durch &#x017F;ein Betragen zu berechtigen &#x017F;chien.<lb/>
Uebrigens konnte ich nichts aus ihm bringen,<lb/>
als daß er ein u&#x0364;ber das andre Mal mit<lb/>
&#x017F;einem bauch&#x017F;chu&#x0364;tternden Lachen ausrief: &#x201E;Er<lb/>
na&#x0364;rri&#x017F;cher Kerl! Er na&#x0364;rri&#x017F;cher Junge!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Inde&#x017F;&#x017F;en mochte ihm meine, die Bibel<lb/>
nach allen Seiten durchkreuzende, kindi&#x017F;che<lb/>
Lebhaftigkeit doch ziemlich ern&#x017F;thaft und eini¬<lb/>
ger Nachhu&#x0364;lfe werth ge&#x017F;chienen haben. Er<lb/>
verwies mich daher nach einiger Zeit auf das<lb/>
große engli&#x017F;che Bibelwerk, welches in &#x017F;einer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0314] ſchweifungen zuruͤckzufuͤhren; zuletzt aber ſchien es ihn ſelbſt zu unterhalten. Er kam nach ſeiner Art nicht aus dem Huſten und Lachen, und wiewohl er ſich ſehr huͤthete mir eine Auskunft zu geben, die ihn haͤtte compromit¬ tiren koͤnnen, ſo ließ meine Zudringlichkeit doch nicht nach; ja da mir mehr daran gele¬ gen war, meine Zweifel vorzubringen als die Aufloͤſung derſelben zu erfahren, ſo wurde ich immer lebhafter und kuͤhner, wozu er mich durch ſein Betragen zu berechtigen ſchien. Uebrigens konnte ich nichts aus ihm bringen, als daß er ein uͤber das andre Mal mit ſeinem bauchſchuͤtternden Lachen ausrief: „Er naͤrriſcher Kerl! Er naͤrriſcher Junge!“ Indeſſen mochte ihm meine, die Bibel nach allen Seiten durchkreuzende, kindiſche Lebhaftigkeit doch ziemlich ernſthaft und eini¬ ger Nachhuͤlfe werth geſchienen haben. Er verwies mich daher nach einiger Zeit auf das große engliſche Bibelwerk, welches in ſeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/314
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/314>, abgerufen am 22.11.2024.