Thal Ajalon still stand, in manche Noth versetzt; gewisser anderer Unwahrscheinlichkei¬ ten und Incongruenzen nicht zu gedenken. Alles dergleichen ward nun aufgeregt, indem ich mich, um von dem Hebräischen Meister zu werden, mit dem alten Testament aus¬ schließlich beschäftigte, und solches nicht mehr in Luthers Uebersetzung, sondern in der wört¬ lichen beygedruckten Version des Sebastian Schmidt, den mir mein Vater sogleich an¬ geschafft hatte, durchstudirte. Hier fingen unsere Stunden leider an, was die Sprach¬ übungen betrifft, lückenhaft zu werden. Le¬ sen, Exponiren, Grammatik, Aufschreiben und Hersagen von Wörtern dauerte selten eine völlige halbe Stunde: denn ich fing sogleich an auf den Sinn der Sache loszugehen, und ob wir gleich noch in dem ersten Buche Mosis befangen waren, mancherley Dinge zur Sprache zu bringen, welche mir aus den spätern Büchern im Sinne lagen. Anfangs suchte der gute Alte mich von solchen Ab¬
Thal Ajalon ſtill ſtand, in manche Noth verſetzt; gewiſſer anderer Unwahrſcheinlichkei¬ ten und Incongruenzen nicht zu gedenken. Alles dergleichen ward nun aufgeregt, indem ich mich, um von dem Hebraͤiſchen Meiſter zu werden, mit dem alten Teſtament aus¬ ſchließlich beſchaͤftigte, und ſolches nicht mehr in Luthers Ueberſetzung, ſondern in der woͤrt¬ lichen beygedruckten Verſion des Sebaſtian Schmidt, den mir mein Vater ſogleich an¬ geſchafft hatte, durchſtudirte. Hier fingen unſere Stunden leider an, was die Sprach¬ uͤbungen betrifft, luͤckenhaft zu werden. Le¬ ſen, Exponiren, Grammatik, Aufſchreiben und Herſagen von Woͤrtern dauerte ſelten eine voͤllige halbe Stunde: denn ich fing ſogleich an auf den Sinn der Sache loszugehen, und ob wir gleich noch in dem erſten Buche Moſis befangen waren, mancherley Dinge zur Sprache zu bringen, welche mir aus den ſpaͤtern Buͤchern im Sinne lagen. Anfangs ſuchte der gute Alte mich von ſolchen Ab¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0313"n="297"/>
Thal Ajalon ſtill ſtand, in manche Noth<lb/>
verſetzt; gewiſſer anderer Unwahrſcheinlichkei¬<lb/>
ten und Incongruenzen nicht zu gedenken.<lb/>
Alles dergleichen ward nun aufgeregt, indem<lb/>
ich mich, um von dem Hebraͤiſchen Meiſter<lb/>
zu werden, mit dem alten Teſtament aus¬<lb/>ſchließlich beſchaͤftigte, und ſolches nicht mehr<lb/>
in Luthers Ueberſetzung, ſondern in der woͤrt¬<lb/>
lichen beygedruckten Verſion des <hirendition="#g">Sebaſtian<lb/>
Schmidt</hi>, den mir mein Vater ſogleich an¬<lb/>
geſchafft hatte, durchſtudirte. Hier fingen<lb/>
unſere Stunden leider an, was die Sprach¬<lb/>
uͤbungen betrifft, luͤckenhaft zu werden. Le¬<lb/>ſen, Exponiren, Grammatik, Aufſchreiben und<lb/>
Herſagen von Woͤrtern dauerte ſelten eine<lb/>
voͤllige halbe Stunde: denn ich fing ſogleich<lb/>
an auf den Sinn der Sache loszugehen,<lb/>
und ob wir gleich noch in dem erſten Buche<lb/>
Moſis befangen waren, mancherley Dinge<lb/>
zur Sprache zu bringen, welche mir aus den<lb/>ſpaͤtern Buͤchern im Sinne lagen. Anfangs<lb/>ſuchte der gute Alte mich von ſolchen Ab¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[297/0313]
Thal Ajalon ſtill ſtand, in manche Noth
verſetzt; gewiſſer anderer Unwahrſcheinlichkei¬
ten und Incongruenzen nicht zu gedenken.
Alles dergleichen ward nun aufgeregt, indem
ich mich, um von dem Hebraͤiſchen Meiſter
zu werden, mit dem alten Teſtament aus¬
ſchließlich beſchaͤftigte, und ſolches nicht mehr
in Luthers Ueberſetzung, ſondern in der woͤrt¬
lichen beygedruckten Verſion des Sebaſtian
Schmidt, den mir mein Vater ſogleich an¬
geſchafft hatte, durchſtudirte. Hier fingen
unſere Stunden leider an, was die Sprach¬
uͤbungen betrifft, luͤckenhaft zu werden. Le¬
ſen, Exponiren, Grammatik, Aufſchreiben und
Herſagen von Woͤrtern dauerte ſelten eine
voͤllige halbe Stunde: denn ich fing ſogleich
an auf den Sinn der Sache loszugehen,
und ob wir gleich noch in dem erſten Buche
Moſis befangen waren, mancherley Dinge
zur Sprache zu bringen, welche mir aus den
ſpaͤtern Buͤchern im Sinne lagen. Anfangs
ſuchte der gute Alte mich von ſolchen Ab¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/313>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.