rer Beschäftigung einige Verwandtschaft hatten. Auf diese Weise wurden meine Exercitien¬ bücher viel voluminöser; der Vater war zu¬ friedener, und ich ward eher gewahr was mir an eigenem Vorrath und an Fertigkeiten ab¬ ging.
Wie nun dergleichen Dinge, wenn sie ein¬ mal im Gang sind, kein Ende und keine Gränzen haben, so ging es auch hier: denn indem ich mir das barocke Judendeutsch zu¬ zueignen und es eben so gut zu schreiben suchte, als ich es lesen konnte, fand ich bald, daß mir die Kenntniß des Hebräischen fehlte, wovon sich das moderne verdorbene und ver¬ zerrte allein ableiten und mit einiger Sicher¬ heit behandeln ließ. Ich eröffnete daher mei¬ nem Vater die Nothwendigkeit, Hebräisch zu lernen, und betrieb sehr lebhaft seine Einwilli¬ gung: denn ich hatte noch eine höhern Zweck. Ueberall hörte ich sagen, daß zum Verständniß des alten Testaments so wie des neuen die
rer Beſchaͤftigung einige Verwandtſchaft hatten. Auf dieſe Weiſe wurden meine Exercitien¬ buͤcher viel voluminoͤſer; der Vater war zu¬ friedener, und ich ward eher gewahr was mir an eigenem Vorrath und an Fertigkeiten ab¬ ging.
Wie nun dergleichen Dinge, wenn ſie ein¬ mal im Gang ſind, kein Ende und keine Graͤnzen haben, ſo ging es auch hier: denn indem ich mir das barocke Judendeutſch zu¬ zueignen und es eben ſo gut zu ſchreiben ſuchte, als ich es leſen konnte, fand ich bald, daß mir die Kenntniß des Hebraͤiſchen fehlte, wovon ſich das moderne verdorbene und ver¬ zerrte allein ableiten und mit einiger Sicher¬ heit behandeln ließ. Ich eroͤffnete daher mei¬ nem Vater die Nothwendigkeit, Hebraͤiſch zu lernen, und betrieb ſehr lebhaft ſeine Einwilli¬ gung: denn ich hatte noch eine hoͤhern Zweck. Ueberall hoͤrte ich ſagen, daß zum Verſtaͤndniß des alten Teſtaments ſo wie des neuen die
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rer Beſchaͤftigung einige Verwandtſchaft hatten.
Auf dieſe Weiſe wurden meine Exercitien¬
buͤcher viel voluminoͤſer; der Vater war zu¬
friedener, und ich ward eher gewahr was mir
an eigenem Vorrath und an Fertigkeiten ab¬
ging.
Wie nun dergleichen Dinge, wenn ſie ein¬
mal im Gang ſind, kein Ende und keine
Graͤnzen haben, ſo ging es auch hier: denn
indem ich mir das barocke Judendeutſch zu¬
zueignen und es eben ſo gut zu ſchreiben
ſuchte, als ich es leſen konnte, fand ich bald,
daß mir die Kenntniß des Hebraͤiſchen fehlte,
wovon ſich das moderne verdorbene und ver¬
zerrte allein ableiten und mit einiger Sicher¬
heit behandeln ließ. Ich eroͤffnete daher mei¬
nem Vater die Nothwendigkeit, Hebraͤiſch zu
lernen, und betrieb ſehr lebhaft ſeine Einwilli¬
gung: denn ich hatte noch eine hoͤhern Zweck.
Ueberall hoͤrte ich ſagen, daß zum Verſtaͤndniß
des alten Teſtaments ſo wie des neuen die
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/304>, abgerufen am 24.11.2024.
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