Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Goldfinger war mehr eine Sylbe zu hören;
und das Gesicht verzog der Mann so wenig
beym trocknen Unterricht, als er es vorher
beym trocknen Spaß verzogen hatte. Meine
Schwester machte mir die bittersten Vorwürfe,
daß ich sie getäuscht habe, und glaubte wirk¬
lich, es sey nur Erfindung von mir gewesen.
Ich war aber selbst betäubt und lernte wenig,
ob der Mann gleich ordentlich genug zu
Werke ging: denn ich wartete immer noch,
die frühern Späße sollten zum Vorschein
kommen, und vertröstete meine Schwester
von einem Tage zum andern. Aber sie blie¬
ben aus, und ich hätte mir dieses Räthsel
niemals erklären können, wenn es mir nicht
gleichfalls ein Zufall aufgelöst hätte.

Einer meiner Gespielen trat herein, mit¬
ten in der Stunde, und auf einmal eröffne¬
ten sich die sämmtlichen Röhren des humori¬
stischen Springbrunnens; die Däumerlinge,
und Deuterlinge, die Krabler und Zabler,

Goldfinger war mehr eine Sylbe zu hoͤren;
und das Geſicht verzog der Mann ſo wenig
beym trocknen Unterricht, als er es vorher
beym trocknen Spaß verzogen hatte. Meine
Schweſter machte mir die bitterſten Vorwuͤrfe,
daß ich ſie getaͤuſcht habe, und glaubte wirk¬
lich, es ſey nur Erfindung von mir geweſen.
Ich war aber ſelbſt betaͤubt und lernte wenig,
ob der Mann gleich ordentlich genug zu
Werke ging: denn ich wartete immer noch,
die fruͤhern Spaͤße ſollten zum Vorſchein
kommen, und vertroͤſtete meine Schweſter
von einem Tage zum andern. Aber ſie blie¬
ben aus, und ich haͤtte mir dieſes Raͤthſel
niemals erklaͤren koͤnnen, wenn es mir nicht
gleichfalls ein Zufall aufgeloͤſt haͤtte.

Einer meiner Geſpielen trat herein, mit¬
ten in der Stunde, und auf einmal eroͤffne¬
ten ſich die ſaͤmmtlichen Roͤhren des humori¬
ſtiſchen Springbrunnens; die Daͤumerlinge,
und Deuterlinge, die Krabler und Zabler,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0286" n="270"/>
Goldfinger war mehr eine Sylbe zu ho&#x0364;ren;<lb/>
und das Ge&#x017F;icht verzog der Mann &#x017F;o wenig<lb/>
beym trocknen Unterricht, als er es vorher<lb/>
beym trocknen Spaß verzogen hatte. Meine<lb/>
Schwe&#x017F;ter machte mir die bitter&#x017F;ten Vorwu&#x0364;rfe,<lb/>
daß ich &#x017F;ie geta&#x0364;u&#x017F;cht habe, und glaubte wirk¬<lb/>
lich, es &#x017F;ey nur Erfindung von mir gewe&#x017F;en.<lb/>
Ich war aber &#x017F;elb&#x017F;t beta&#x0364;ubt und lernte wenig,<lb/>
ob der Mann gleich ordentlich genug zu<lb/>
Werke ging: denn ich wartete immer noch,<lb/>
die fru&#x0364;hern Spa&#x0364;ße &#x017F;ollten zum Vor&#x017F;chein<lb/>
kommen, und vertro&#x0364;&#x017F;tete meine Schwe&#x017F;ter<lb/>
von einem Tage zum andern. Aber &#x017F;ie blie¬<lb/>
ben aus, und ich ha&#x0364;tte mir die&#x017F;es Ra&#x0364;th&#x017F;el<lb/>
niemals erkla&#x0364;ren ko&#x0364;nnen, wenn es mir nicht<lb/>
gleichfalls ein Zufall aufgelo&#x0364;&#x017F;t ha&#x0364;tte.</p><lb/>
        <p>Einer meiner Ge&#x017F;pielen trat herein, mit¬<lb/>
ten in der Stunde, und auf einmal ero&#x0364;ffne¬<lb/>
ten &#x017F;ich die &#x017F;a&#x0364;mmtlichen Ro&#x0364;hren des humori¬<lb/>
&#x017F;ti&#x017F;chen Springbrunnens; die Da&#x0364;umerlinge,<lb/>
und Deuterlinge, die Krabler und Zabler,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0286] Goldfinger war mehr eine Sylbe zu hoͤren; und das Geſicht verzog der Mann ſo wenig beym trocknen Unterricht, als er es vorher beym trocknen Spaß verzogen hatte. Meine Schweſter machte mir die bitterſten Vorwuͤrfe, daß ich ſie getaͤuſcht habe, und glaubte wirk¬ lich, es ſey nur Erfindung von mir geweſen. Ich war aber ſelbſt betaͤubt und lernte wenig, ob der Mann gleich ordentlich genug zu Werke ging: denn ich wartete immer noch, die fruͤhern Spaͤße ſollten zum Vorſchein kommen, und vertroͤſtete meine Schweſter von einem Tage zum andern. Aber ſie blie¬ ben aus, und ich haͤtte mir dieſes Raͤthſel niemals erklaͤren koͤnnen, wenn es mir nicht gleichfalls ein Zufall aufgeloͤſt haͤtte. Einer meiner Geſpielen trat herein, mit¬ ten in der Stunde, und auf einmal eroͤffne¬ ten ſich die ſaͤmmtlichen Roͤhren des humori¬ ſtiſchen Springbrunnens; die Daͤumerlinge, und Deuterlinge, die Krabler und Zabler,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/286
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/286>, abgerufen am 24.11.2024.