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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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niemals anders als heiter und gefällig und
über seinen Acten emsig gesehen. Frau und
Kinder, sanft, still und wohlwollend, ver¬
mehrten zwar nicht die Geselligkeit in unserm
Hause: denn sie blieben für sich; aber es war
eine Stille, ein Friede zurückgekehrt, den
wir lange Zeit nicht genossen hatten. Ich
bewohnte nun wieder mein Mansard-Zimmer,
in welchem die Gespenster der vielen Gemälde
mir zuweilen vorschwebten, die ich denn durch
Arbeiten und Studien zu verscheuchen suchte.

Der Legationsrath Moriz, ein Bruder
des Canzleydirectors, kam von jetzt an auch
öfters in unser Haus. Er war schon mehr
Weltmann, von einer ansehnlichen Gestalt und
dabey von bequem gefälligem Betragen. Auch
er besorgte die Angelegenheiten verschiedener
Standespersonen, und kam mit meinem Va¬
ter, bey Anlaß von Concursen und kaiserli¬
chen Commissionen, mehrmals in Berührung.
Beyde hielten viel auf einander, und standen

niemals anders als heiter und gefaͤllig und
uͤber ſeinen Acten emſig geſehen. Frau und
Kinder, ſanft, ſtill und wohlwollend, ver¬
mehrten zwar nicht die Geſelligkeit in unſerm
Hauſe: denn ſie blieben fuͤr ſich; aber es war
eine Stille, ein Friede zuruͤckgekehrt, den
wir lange Zeit nicht genoſſen hatten. Ich
bewohnte nun wieder mein Manſard-Zimmer,
in welchem die Geſpenſter der vielen Gemaͤlde
mir zuweilen vorſchwebten, die ich denn durch
Arbeiten und Studien zu verſcheuchen ſuchte.

Der Legationsrath Moriz, ein Bruder
des Canzleydirectors, kam von jetzt an auch
oͤfters in unſer Haus. Er war ſchon mehr
Weltmann, von einer anſehnlichen Geſtalt und
dabey von bequem gefaͤlligem Betragen. Auch
er beſorgte die Angelegenheiten verſchiedener
Standesperſonen, und kam mit meinem Va¬
ter, bey Anlaß von Concurſen und kaiſerli¬
chen Commiſſionen, mehrmals in Beruͤhrung.
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[264/0280] niemals anders als heiter und gefaͤllig und uͤber ſeinen Acten emſig geſehen. Frau und Kinder, ſanft, ſtill und wohlwollend, ver¬ mehrten zwar nicht die Geſelligkeit in unſerm Hauſe: denn ſie blieben fuͤr ſich; aber es war eine Stille, ein Friede zuruͤckgekehrt, den wir lange Zeit nicht genoſſen hatten. Ich bewohnte nun wieder mein Manſard-Zimmer, in welchem die Geſpenſter der vielen Gemaͤlde mir zuweilen vorſchwebten, die ich denn durch Arbeiten und Studien zu verſcheuchen ſuchte. Der Legationsrath Moriz, ein Bruder des Canzleydirectors, kam von jetzt an auch oͤfters in unſer Haus. Er war ſchon mehr Weltmann, von einer anſehnlichen Geſtalt und dabey von bequem gefaͤlligem Betragen. Auch er beſorgte die Angelegenheiten verſchiedener Standesperſonen, und kam mit meinem Va¬ ter, bey Anlaß von Concurſen und kaiſerli¬ chen Commiſſionen, mehrmals in Beruͤhrung. Beyde hielten viel auf einander, und ſtanden

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/280>, abgerufen am 03.09.2024.