Blumen besorgen, die Kinder spielen, die Ge¬ sellschaften sich ergetzen sah, die Kegelkugeln rollen und die Kegel fallen hörte; so erregte dieß frühzeitig in mir ein Gefühl der Einsam¬ keit und einer daraus entspringenden Sehnsucht, das dem von der Natur in mich gelegten Ernsten und Ahndungsvollen entsprechend, sei¬ nen Einfluß gar bald und in der Folge noch deutlicher zeigte.
Die alte, winkelhafte, an vielen Stellen düstere Beschaffenheit des Hauses war übrigens geeignet, Schauer und Furcht in kindlichen Ge¬ müthern zu erwecken. Unglücklicherweise hatte man noch die Erziehungsmaxime, den Kindern frühzeitig alle Furcht vor dem Ahndungsvollen und Unsichtbaren zu benehmen, und sie an das Schauderhafte zu gewöhnen. Wir Kinder soll¬ ten daher allein schlafen, und wenn uns dieses unmöglich fiel, und wir uns sacht aus den Betten hervormachten und die Gesellschaft der Bedienten und Mägde suchten; so stellte sich,
Blumen beſorgen, die Kinder ſpielen, die Ge¬ ſellſchaften ſich ergetzen ſah, die Kegelkugeln rollen und die Kegel fallen hoͤrte; ſo erregte dieß fruͤhzeitig in mir ein Gefuͤhl der Einſam¬ keit und einer daraus entſpringenden Sehnſucht, das dem von der Natur in mich gelegten Ernſten und Ahndungsvollen entſprechend, ſei¬ nen Einfluß gar bald und in der Folge noch deutlicher zeigte.
Die alte, winkelhafte, an vielen Stellen duͤſtere Beſchaffenheit des Hauſes war uͤbrigens geeignet, Schauer und Furcht in kindlichen Ge¬ muͤthern zu erwecken. Ungluͤcklicherweiſe hatte man noch die Erziehungsmaxime, den Kindern fruͤhzeitig alle Furcht vor dem Ahndungsvollen und Unſichtbaren zu benehmen, und ſie an das Schauderhafte zu gewoͤhnen. Wir Kinder ſoll¬ ten daher allein ſchlafen, und wenn uns dieſes unmoͤglich fiel, und wir uns ſacht aus den Betten hervormachten und die Geſellſchaft der Bedienten und Maͤgde ſuchten; ſo ſtellte ſich,
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0027"n="11"/>
Blumen beſorgen, die Kinder ſpielen, die Ge¬<lb/>ſellſchaften ſich ergetzen ſah, die Kegelkugeln<lb/>
rollen und die Kegel fallen hoͤrte; ſo erregte<lb/>
dieß fruͤhzeitig in mir ein Gefuͤhl der Einſam¬<lb/>
keit und einer daraus entſpringenden Sehnſucht,<lb/>
das dem von der Natur in mich gelegten<lb/>
Ernſten und Ahndungsvollen entſprechend, ſei¬<lb/>
nen Einfluß gar bald und in der Folge noch<lb/>
deutlicher zeigte.</p><lb/><p>Die alte, winkelhafte, an vielen Stellen<lb/>
duͤſtere Beſchaffenheit des Hauſes war uͤbrigens<lb/>
geeignet, Schauer und Furcht in kindlichen Ge¬<lb/>
muͤthern zu erwecken. Ungluͤcklicherweiſe hatte<lb/>
man noch die Erziehungsmaxime, den Kindern<lb/>
fruͤhzeitig alle Furcht vor dem Ahndungsvollen<lb/>
und Unſichtbaren zu benehmen, und ſie an das<lb/>
Schauderhafte zu gewoͤhnen. Wir Kinder ſoll¬<lb/>
ten daher allein ſchlafen, und wenn uns dieſes<lb/>
unmoͤglich fiel, und wir uns ſacht aus den<lb/>
Betten hervormachten und die Geſellſchaft der<lb/>
Bedienten und Maͤgde ſuchten; ſo ſtellte ſich,<lb/></p></body></text></TEI>
[11/0027]
Blumen beſorgen, die Kinder ſpielen, die Ge¬
ſellſchaften ſich ergetzen ſah, die Kegelkugeln
rollen und die Kegel fallen hoͤrte; ſo erregte
dieß fruͤhzeitig in mir ein Gefuͤhl der Einſam¬
keit und einer daraus entſpringenden Sehnſucht,
das dem von der Natur in mich gelegten
Ernſten und Ahndungsvollen entſprechend, ſei¬
nen Einfluß gar bald und in der Folge noch
deutlicher zeigte.
Die alte, winkelhafte, an vielen Stellen
duͤſtere Beſchaffenheit des Hauſes war uͤbrigens
geeignet, Schauer und Furcht in kindlichen Ge¬
muͤthern zu erwecken. Ungluͤcklicherweiſe hatte
man noch die Erziehungsmaxime, den Kindern
fruͤhzeitig alle Furcht vor dem Ahndungsvollen
und Unſichtbaren zu benehmen, und ſie an das
Schauderhafte zu gewoͤhnen. Wir Kinder ſoll¬
ten daher allein ſchlafen, und wenn uns dieſes
unmoͤglich fiel, und wir uns ſacht aus den
Betten hervormachten und die Geſellſchaft der
Bedienten und Maͤgde ſuchten; ſo ſtellte ſich,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/27>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.