Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

"Sehr viele! Was! diese Städter, Reichs¬
städter wollen sie seyn? Ihren Kaiser haben
sie wählen und krönen sehen, und wenn dieser
ungerecht angegriffen seine Länder zu verlieren
und einem Usurpator zu unterliegen Gefahr
läuft, wenn er glücklicherweise getreue Alliirte
findet, die ihr Geld, ihr Blut zu seinem
Vortheil verwenden; so wollen sie die geringe
Last nicht tragen, die zu ihrem Theil sie trifft,
daß der Reichsfeind gedemüthigt werde."

Freylich kennt Ihr diese Gesinnungen schon
lange, und habt sie als ein weiser Mann ge¬
duldet; auch ist es nur die geringere Zahl.
Wenige, verblendet durch die glänzenden Ei¬
genschaften des Feindes, den Ihr ja selbst als
einen außerordentlichen Mann schätzt, wenige
nur, Ihr wißt es!

"Ja wohl! zu lange habe ich es gewußt
und geduldet, sonst hätte dieser sich nicht un¬
terstanden, mir in den bedeutendsten Au¬

„Sehr viele! Was! dieſe Staͤdter, Reichs¬
ſtaͤdter wollen ſie ſeyn? Ihren Kaiſer haben
ſie waͤhlen und kroͤnen ſehen, und wenn dieſer
ungerecht angegriffen ſeine Laͤnder zu verlieren
und einem Uſurpator zu unterliegen Gefahr
laͤuft, wenn er gluͤcklicherweiſe getreue Alliirte
findet, die ihr Geld, ihr Blut zu ſeinem
Vortheil verwenden; ſo wollen ſie die geringe
Laſt nicht tragen, die zu ihrem Theil ſie trifft,
daß der Reichsfeind gedemuͤthigt werde.“

Freylich kennt Ihr dieſe Geſinnungen ſchon
lange, und habt ſie als ein weiſer Mann ge¬
duldet; auch iſt es nur die geringere Zahl.
Wenige, verblendet durch die glaͤnzenden Ei¬
genſchaften des Feindes, den Ihr ja ſelbſt als
einen außerordentlichen Mann ſchaͤtzt, wenige
nur‚ Ihr wißt es!

„Ja wohl! zu lange habe ich es gewußt
und geduldet, ſonſt haͤtte dieſer ſich nicht un¬
terſtanden, mir in den bedeutendſten Au¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0248" n="232"/>
        <p>&#x201E;Sehr viele! Was! die&#x017F;e Sta&#x0364;dter, Reichs¬<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;dter wollen &#x017F;ie &#x017F;eyn? Ihren Kai&#x017F;er haben<lb/>
&#x017F;ie wa&#x0364;hlen und kro&#x0364;nen &#x017F;ehen, und wenn die&#x017F;er<lb/>
ungerecht angegriffen &#x017F;eine La&#x0364;nder zu verlieren<lb/>
und einem U&#x017F;urpator zu unterliegen Gefahr<lb/>
la&#x0364;uft, wenn er glu&#x0364;cklicherwei&#x017F;e getreue Alliirte<lb/>
findet, die ihr Geld, ihr Blut zu &#x017F;einem<lb/>
Vortheil verwenden; &#x017F;o wollen &#x017F;ie die geringe<lb/>
La&#x017F;t nicht tragen, die zu ihrem Theil &#x017F;ie trifft,<lb/>
daß der Reichsfeind gedemu&#x0364;thigt werde.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Freylich kennt Ihr die&#x017F;e Ge&#x017F;innungen &#x017F;chon<lb/>
lange, und habt &#x017F;ie als ein wei&#x017F;er Mann ge¬<lb/>
duldet; auch i&#x017F;t es nur die geringere Zahl.<lb/>
Wenige, verblendet durch die gla&#x0364;nzenden Ei¬<lb/>
gen&#x017F;chaften des Feindes, den Ihr ja &#x017F;elb&#x017F;t als<lb/>
einen außerordentlichen Mann &#x017F;cha&#x0364;tzt, wenige<lb/>
nur&#x201A; Ihr wißt es!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja wohl! zu lange habe ich es gewußt<lb/>
und geduldet, &#x017F;on&#x017F;t ha&#x0364;tte die&#x017F;er &#x017F;ich nicht un¬<lb/>
ter&#x017F;tanden, mir in den bedeutend&#x017F;ten Au¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0248] „Sehr viele! Was! dieſe Staͤdter, Reichs¬ ſtaͤdter wollen ſie ſeyn? Ihren Kaiſer haben ſie waͤhlen und kroͤnen ſehen, und wenn dieſer ungerecht angegriffen ſeine Laͤnder zu verlieren und einem Uſurpator zu unterliegen Gefahr laͤuft, wenn er gluͤcklicherweiſe getreue Alliirte findet, die ihr Geld, ihr Blut zu ſeinem Vortheil verwenden; ſo wollen ſie die geringe Laſt nicht tragen, die zu ihrem Theil ſie trifft, daß der Reichsfeind gedemuͤthigt werde.“ Freylich kennt Ihr dieſe Geſinnungen ſchon lange, und habt ſie als ein weiſer Mann ge¬ duldet; auch iſt es nur die geringere Zahl. Wenige, verblendet durch die glaͤnzenden Ei¬ genſchaften des Feindes, den Ihr ja ſelbſt als einen außerordentlichen Mann ſchaͤtzt, wenige nur‚ Ihr wißt es! „Ja wohl! zu lange habe ich es gewußt und geduldet, ſonſt haͤtte dieſer ſich nicht un¬ terſtanden, mir in den bedeutendſten Au¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/248
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/248>, abgerufen am 24.11.2024.