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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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zurückgezogen hatte, und das dringendste
Geschäft lieber einen Augenblick stocken ließ,
als daß er den einmal in ihm erregten bösen
Muth an einem Unschuldigen gekühlt, und
eine seiner Würde nachtheilige Entscheidung
gegeben hätte.

Die Anrede des Dolmetschers an den
Grafen, die Führung des ganzen Gesprächs
hat uns der dicke Gevatter, der sich auf den
glücklichen Erfolg nicht wenig zu Gute that,
oft genug wiederholt, so daß ich sie aus dem
Gedächtniß wohl noch aufzeichnen kann.

Der Dolmetsch hatte gewagt das Kabi¬
net zu eröffnen und hineinzutreten, eine Hand¬
lung die höchst verpönt war. "Was wollt
ihr? rief ihm der Graf zornig entgegen:
Hinaus mit euch! Hier hat niemand das
Recht hereinzutreten als Saint Jean."

So haltet mich einen Augenblick für
Saint Jean, versetzte der Dolmetsch.

zuruͤckgezogen hatte, und das dringendſte
Geſchaͤft lieber einen Augenblick ſtocken ließ,
als daß er den einmal in ihm erregten boͤſen
Muth an einem Unſchuldigen gekuͤhlt, und
eine ſeiner Wuͤrde nachtheilige Entſcheidung
gegeben haͤtte.

Die Anrede des Dolmetſchers an den
Grafen, die Fuͤhrung des ganzen Geſpraͤchs
hat uns der dicke Gevatter, der ſich auf den
gluͤcklichen Erfolg nicht wenig zu Gute that,
oft genug wiederholt, ſo daß ich ſie aus dem
Gedaͤchtniß wohl noch aufzeichnen kann.

Der Dolmetſch hatte gewagt das Kabi¬
net zu eroͤffnen und hineinzutreten, eine Hand¬
lung die hoͤchſt verpoͤnt war. „Was wollt
ihr? rief ihm der Graf zornig entgegen:
Hinaus mit euch! Hier hat niemand das
Recht hereinzutreten als Saint Jean.“

So haltet mich einen Augenblick fuͤr
Saint Jean, verſetzte der Dolmetſch.

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[230/0246] zuruͤckgezogen hatte, und das dringendſte Geſchaͤft lieber einen Augenblick ſtocken ließ, als daß er den einmal in ihm erregten boͤſen Muth an einem Unſchuldigen gekuͤhlt, und eine ſeiner Wuͤrde nachtheilige Entſcheidung gegeben haͤtte. Die Anrede des Dolmetſchers an den Grafen, die Fuͤhrung des ganzen Geſpraͤchs hat uns der dicke Gevatter, der ſich auf den gluͤcklichen Erfolg nicht wenig zu Gute that, oft genug wiederholt, ſo daß ich ſie aus dem Gedaͤchtniß wohl noch aufzeichnen kann. Der Dolmetſch hatte gewagt das Kabi¬ net zu eroͤffnen und hineinzutreten, eine Hand¬ lung die hoͤchſt verpoͤnt war. „Was wollt ihr? rief ihm der Graf zornig entgegen: Hinaus mit euch! Hier hat niemand das Recht hereinzutreten als Saint Jean.“ So haltet mich einen Augenblick fuͤr Saint Jean, verſetzte der Dolmetſch.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/246>, abgerufen am 24.11.2024.