zu erholen und den alten Freundschafts- Bund nur desto fester zu schließen.
Ein andres Abenteuer, das mir auch im Schauspielhause obgleich später begegnet, will ich bey dieser Gelegenheit erzählen. Ich saß nämlich mit einem meiner Gespielen ganz ruhig im Parterre, und wir sahen mit Ver¬ gnügen einem Solotanze zu, den ein hüb¬ scher Knabe, ohngefähr von unserm Alter, der Sohn eines durchreisenden französischen Tanzmeisters, mit vieler Gewandtheit und Anmuth aufführte. Nach Art der Tänzer war er mit einem knappen Wämschen von rother Seide bekleidet, welches in einen kur¬ zen Reifrock ausgehend, gleich den Laufer¬ schürzen, bis über die Kniee schwebte. Wir hatten diesem angehenden Künstler mit dem ganzen Publicum unsern Beyfall gezollt, als mir ich weiß nicht wie einfiel, eine morali¬ sche Reflexion zu machen. Ich sagte zu mei¬ nem Begleiter: Wie schön war dieser Knabe
zu erholen und den alten Freundſchafts- Bund nur deſto feſter zu ſchließen.
Ein andres Abenteuer, das mir auch im Schauſpielhauſe obgleich ſpaͤter begegnet, will ich bey dieſer Gelegenheit erzaͤhlen. Ich ſaß naͤmlich mit einem meiner Geſpielen ganz ruhig im Parterre, und wir ſahen mit Ver¬ gnuͤgen einem Solotanze zu, den ein huͤb¬ ſcher Knabe, ohngefaͤhr von unſerm Alter, der Sohn eines durchreiſenden franzoͤſiſchen Tanzmeiſters, mit vieler Gewandtheit und Anmuth auffuͤhrte. Nach Art der Taͤnzer war er mit einem knappen Waͤmschen von rother Seide bekleidet, welches in einen kur¬ zen Reifrock ausgehend, gleich den Laufer¬ ſchuͤrzen, bis uͤber die Kniee ſchwebte. Wir hatten dieſem angehenden Kuͤnſtler mit dem ganzen Publicum unſern Beyfall gezollt, als mir ich weiß nicht wie einfiel, eine morali¬ ſche Reflexion zu machen. Ich ſagte zu mei¬ nem Begleiter: Wie ſchoͤn war dieſer Knabe
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zu erholen und den alten Freundſchafts-
Bund nur deſto feſter zu ſchließen.
Ein andres Abenteuer, das mir auch im
Schauſpielhauſe obgleich ſpaͤter begegnet, will
ich bey dieſer Gelegenheit erzaͤhlen. Ich ſaß
naͤmlich mit einem meiner Geſpielen ganz
ruhig im Parterre, und wir ſahen mit Ver¬
gnuͤgen einem Solotanze zu, den ein huͤb¬
ſcher Knabe, ohngefaͤhr von unſerm Alter,
der Sohn eines durchreiſenden franzoͤſiſchen
Tanzmeiſters, mit vieler Gewandtheit und
Anmuth auffuͤhrte. Nach Art der Taͤnzer
war er mit einem knappen Waͤmschen von
rother Seide bekleidet, welches in einen kur¬
zen Reifrock ausgehend, gleich den Laufer¬
ſchuͤrzen, bis uͤber die Kniee ſchwebte. Wir
hatten dieſem angehenden Kuͤnſtler mit dem
ganzen Publicum unſern Beyfall gezollt, als
mir ich weiß nicht wie einfiel, eine morali¬
ſche Reflexion zu machen. Ich ſagte zu mei¬
nem Begleiter: Wie ſchoͤn war dieſer Knabe
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/232>, abgerufen am 26.11.2024.
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