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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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hatte, fiel es diesem ein, mir zu betheuern,
ich hatte ihn beleidigt, und müsse ihm Sa¬
tisfaction geben. Ich begriff zwar nicht,
was ihm Anlaß geben konnte, ließ mir aber
seine Ausforderung gefallen und wollte ziehen.
Er versicherte mir aber, es sey in solchen
Fällen gebräuchlich, daß man an einsame
Oerter gehe, um die Sache desto bequemer
ausmachen zu können. Wir verfügten uns
deshalb hinter einige Scheunen, und stellten
uns in gehörige Positur. Der Zweykampf
erfolgte auf eine etwas theatralische Weise,
die Klingen klirrten, und die Stöße gingen
neben aus; doch im Feuer der Action blieb
er mit der Spitze seines Degens an der
Bandschleife meines Bügels hangen. Sie
ward durchbohrt, und er versicherte mir,
daß er nun die vollkommenste Satisfaction
habe, umarmte mich sodann, gleichfalls recht
theatralisch, und wir gingen in das näch¬
ste Caffeehaus, um uns mit einem Glase
Mandelmilch von unserer Gemüthsbewegung

hatte, fiel es dieſem ein, mir zu betheuern,
ich hatte ihn beleidigt, und muͤſſe ihm Sa¬
tisfaction geben. Ich begriff zwar nicht,
was ihm Anlaß geben konnte, ließ mir aber
ſeine Ausforderung gefallen und wollte ziehen.
Er verſicherte mir aber, es ſey in ſolchen
Faͤllen gebraͤuchlich, daß man an einſame
Oerter gehe, um die Sache deſto bequemer
ausmachen zu koͤnnen. Wir verfuͤgten uns
deshalb hinter einige Scheunen, und ſtellten
uns in gehoͤrige Poſitur. Der Zweykampf
erfolgte auf eine etwas theatraliſche Weiſe,
die Klingen klirrten, und die Stoͤße gingen
neben aus; doch im Feuer der Action blieb
er mit der Spitze ſeines Degens an der
Bandſchleife meines Buͤgels hangen. Sie
ward durchbohrt, und er verſicherte mir,
daß er nun die vollkommenſte Satisfaction
habe, umarmte mich ſodann, gleichfalls recht
theatraliſch, und wir gingen in das naͤch¬
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[215/0231] hatte, fiel es dieſem ein, mir zu betheuern, ich hatte ihn beleidigt, und muͤſſe ihm Sa¬ tisfaction geben. Ich begriff zwar nicht, was ihm Anlaß geben konnte, ließ mir aber ſeine Ausforderung gefallen und wollte ziehen. Er verſicherte mir aber, es ſey in ſolchen Faͤllen gebraͤuchlich, daß man an einſame Oerter gehe, um die Sache deſto bequemer ausmachen zu koͤnnen. Wir verfuͤgten uns deshalb hinter einige Scheunen, und ſtellten uns in gehoͤrige Poſitur. Der Zweykampf erfolgte auf eine etwas theatraliſche Weiſe, die Klingen klirrten, und die Stoͤße gingen neben aus; doch im Feuer der Action blieb er mit der Spitze ſeines Degens an der Bandſchleife meines Buͤgels hangen. Sie ward durchbohrt, und er verſicherte mir, daß er nun die vollkommenſte Satisfaction habe, umarmte mich ſodann, gleichfalls recht theatraliſch, und wir gingen in das naͤch¬ ſte Caffeehaus, um uns mit einem Glaſe Mandelmilch von unſerer Gemuͤthsbewegung

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/231>, abgerufen am 26.11.2024.