Freybillet, als aus den Händen des Schult¬ heißen, den Weg zu allen Plätzen eröffnete, und also auch zu den Sitzen im Proscenium. Dieses war nach französischer Art sehr tief und an beyden Seiten mit Sitzen eingefaßt, die durch eine niedrige Barriere beschränkt, sich in mehreren Reihen hinter einander auf¬ bauten und zwar dergestalt, daß die ersten Sitze nur wenig über die Bühne erhoben waren. Das Ganze galt für einen beson¬ dern Ehrenplatz; nur Offiziere bedienten sich gewöhnlich desselben, obgleich die Nähe der Schauspieler, ich will nicht sagen jede Illu¬ sion, sondern gewissermaßen jedes Gefallen aufhob. Sogar jenen Gebrauch oder Mis¬ brauch, über den sich Voltaire so sehr be¬ schwert, habe ich noch erlebt und mit Au¬ gen gesehen. Wenn bey sehr vollem Hause, und etwa zur Zeit von Durchmärschen ange¬ sehene Offiziere nach jenem Ehrenplatz streb¬ ten, der aber gewöhnlich schon besetzt war; so stellte man noch einige Reihen Bänke und
14 *
Freybillet, als aus den Haͤnden des Schult¬ heißen, den Weg zu allen Plaͤtzen eroͤffnete, und alſo auch zu den Sitzen im Proſcenium. Dieſes war nach franzoͤſiſcher Art ſehr tief und an beyden Seiten mit Sitzen eingefaßt, die durch eine niedrige Barriere beſchraͤnkt, ſich in mehreren Reihen hinter einander auf¬ bauten und zwar dergeſtalt, daß die erſten Sitze nur wenig uͤber die Buͤhne erhoben waren. Das Ganze galt fuͤr einen beſon¬ dern Ehrenplatz; nur Offiziere bedienten ſich gewoͤhnlich deſſelben, obgleich die Naͤhe der Schauſpieler, ich will nicht ſagen jede Illu¬ ſion, ſondern gewiſſermaßen jedes Gefallen aufhob. Sogar jenen Gebrauch oder Mis¬ brauch, uͤber den ſich Voltaire ſo ſehr be¬ ſchwert, habe ich noch erlebt und mit Au¬ gen geſehen. Wenn bey ſehr vollem Hauſe, und etwa zur Zeit von Durchmaͤrſchen ange¬ ſehene Offiziere nach jenem Ehrenplatz ſtreb¬ ten, der aber gewoͤhnlich ſchon beſetzt war; ſo ſtellte man noch einige Reihen Baͤnke und
14 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0227"n="211"/>
Freybillet, als aus den Haͤnden des Schult¬<lb/>
heißen, den Weg zu allen Plaͤtzen eroͤffnete,<lb/>
und alſo auch zu den Sitzen im Proſcenium.<lb/>
Dieſes war nach franzoͤſiſcher Art ſehr tief<lb/>
und an beyden Seiten mit Sitzen eingefaßt,<lb/>
die durch eine niedrige Barriere beſchraͤnkt,<lb/>ſich in mehreren Reihen hinter einander auf¬<lb/>
bauten und zwar dergeſtalt, daß die erſten<lb/>
Sitze nur wenig uͤber die Buͤhne erhoben<lb/>
waren. Das Ganze galt fuͤr einen beſon¬<lb/>
dern Ehrenplatz; nur Offiziere bedienten ſich<lb/>
gewoͤhnlich deſſelben, obgleich die Naͤhe der<lb/>
Schauſpieler, ich will nicht ſagen jede Illu¬<lb/>ſion, ſondern gewiſſermaßen jedes Gefallen<lb/>
aufhob. Sogar jenen Gebrauch oder Mis¬<lb/>
brauch, uͤber den ſich Voltaire ſo ſehr be¬<lb/>ſchwert, habe ich noch erlebt und mit Au¬<lb/>
gen geſehen. Wenn bey ſehr vollem Hauſe,<lb/>
und etwa zur Zeit von Durchmaͤrſchen ange¬<lb/>ſehene Offiziere nach jenem Ehrenplatz ſtreb¬<lb/>
ten, der aber gewoͤhnlich ſchon beſetzt war;<lb/>ſo ſtellte man noch einige Reihen Baͤnke und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">14 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[211/0227]
Freybillet, als aus den Haͤnden des Schult¬
heißen, den Weg zu allen Plaͤtzen eroͤffnete,
und alſo auch zu den Sitzen im Proſcenium.
Dieſes war nach franzoͤſiſcher Art ſehr tief
und an beyden Seiten mit Sitzen eingefaßt,
die durch eine niedrige Barriere beſchraͤnkt,
ſich in mehreren Reihen hinter einander auf¬
bauten und zwar dergeſtalt, daß die erſten
Sitze nur wenig uͤber die Buͤhne erhoben
waren. Das Ganze galt fuͤr einen beſon¬
dern Ehrenplatz; nur Offiziere bedienten ſich
gewoͤhnlich deſſelben, obgleich die Naͤhe der
Schauſpieler, ich will nicht ſagen jede Illu¬
ſion, ſondern gewiſſermaßen jedes Gefallen
aufhob. Sogar jenen Gebrauch oder Mis¬
brauch, uͤber den ſich Voltaire ſo ſehr be¬
ſchwert, habe ich noch erlebt und mit Au¬
gen geſehen. Wenn bey ſehr vollem Hauſe,
und etwa zur Zeit von Durchmaͤrſchen ange¬
ſehene Offiziere nach jenem Ehrenplatz ſtreb¬
ten, der aber gewoͤhnlich ſchon beſetzt war;
ſo ſtellte man noch einige Reihen Baͤnke und
14 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/227>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.