Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

er an die Wände genagelt haben, um die
neuen Tapeten nicht zu verderben. Seine
Leute waren gewandt, still und ordentlich;
aber freylich, da den ganzen Tag und einen
Theil der Nacht nicht Ruhe bey ihm ward,
da ein Klagender dem andern folgte, Arre¬
stanten gebracht und fortgeführt, alle Offiziere
und Adjutanten vorgelassen wurden, da der
Graf noch überdieß täglich offne Tafel hielt:
so gab es in dem mäßig großen, nur für
eine Familie eingerichteten Hause, das nur
eine durch alle Stockwerke unverschlossen
durchgehende Treppe hatte, eine Bewegung
und ein Gesumme wie in einem Bienenkörbe,
obgleich alles sehr gemäßigt, ernsthaft und
streng zuging.

Zum Vermittler zwischen einem verdrie߬
lichen, täglich mehr sich hypochondrisch quä¬
lenden Hausherrn und einem zwar wohlwol¬
lenden aber sehr ernsten und genauen Mili¬
tärgast, fand sich glücklicherweise ein behag¬

er an die Waͤnde genagelt haben, um die
neuen Tapeten nicht zu verderben. Seine
Leute waren gewandt, ſtill und ordentlich;
aber freylich, da den ganzen Tag und einen
Theil der Nacht nicht Ruhe bey ihm ward,
da ein Klagender dem andern folgte, Arre¬
ſtanten gebracht und fortgefuͤhrt, alle Offiziere
und Adjutanten vorgelaſſen wurden‚ da der
Graf noch uͤberdieß taͤglich offne Tafel hielt:
ſo gab es in dem maͤßig großen, nur fuͤr
eine Familie eingerichteten Hauſe, das nur
eine durch alle Stockwerke unverſchloſſen
durchgehende Treppe hatte, eine Bewegung
und ein Geſumme wie in einem Bienenkoͤrbe,
obgleich alles ſehr gemaͤßigt, ernſthaft und
ſtreng zuging.

Zum Vermittler zwiſchen einem verdrie߬
lichen, taͤglich mehr ſich hypochondriſch quaͤ¬
lenden Hausherrn und einem zwar wohlwol¬
lenden aber ſehr ernſten und genauen Mili¬
taͤrgaſt, fand ſich gluͤcklicherweiſe ein behag¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0205" n="189"/>
er an die Wa&#x0364;nde genagelt haben, um die<lb/>
neuen Tapeten nicht zu verderben. Seine<lb/>
Leute waren gewandt, &#x017F;till und ordentlich;<lb/>
aber freylich, da den ganzen Tag und einen<lb/>
Theil der Nacht nicht Ruhe bey ihm ward,<lb/>
da ein Klagender dem andern folgte, Arre¬<lb/>
&#x017F;tanten gebracht und fortgefu&#x0364;hrt, alle Offiziere<lb/>
und Adjutanten vorgela&#x017F;&#x017F;en wurden&#x201A; da der<lb/>
Graf noch u&#x0364;berdieß ta&#x0364;glich offne Tafel hielt:<lb/>
&#x017F;o gab es in dem ma&#x0364;ßig großen, nur fu&#x0364;r<lb/>
eine Familie eingerichteten Hau&#x017F;e, das nur<lb/>
eine durch alle Stockwerke unver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
durchgehende Treppe hatte, eine Bewegung<lb/>
und ein Ge&#x017F;umme wie in einem Bienenko&#x0364;rbe,<lb/>
obgleich alles &#x017F;ehr gema&#x0364;ßigt, ern&#x017F;thaft und<lb/>
&#x017F;treng zuging.</p><lb/>
        <p>Zum Vermittler zwi&#x017F;chen einem verdrie߬<lb/>
lichen, ta&#x0364;glich mehr &#x017F;ich hypochondri&#x017F;ch qua&#x0364;¬<lb/>
lenden Hausherrn und einem zwar wohlwol¬<lb/>
lenden aber &#x017F;ehr ern&#x017F;ten und genauen Mili¬<lb/>
ta&#x0364;rga&#x017F;t, fand &#x017F;ich glu&#x0364;cklicherwei&#x017F;e ein behag¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0205] er an die Waͤnde genagelt haben, um die neuen Tapeten nicht zu verderben. Seine Leute waren gewandt, ſtill und ordentlich; aber freylich, da den ganzen Tag und einen Theil der Nacht nicht Ruhe bey ihm ward, da ein Klagender dem andern folgte, Arre¬ ſtanten gebracht und fortgefuͤhrt, alle Offiziere und Adjutanten vorgelaſſen wurden‚ da der Graf noch uͤberdieß taͤglich offne Tafel hielt: ſo gab es in dem maͤßig großen, nur fuͤr eine Familie eingerichteten Hauſe, das nur eine durch alle Stockwerke unverſchloſſen durchgehende Treppe hatte, eine Bewegung und ein Geſumme wie in einem Bienenkoͤrbe, obgleich alles ſehr gemaͤßigt, ernſthaft und ſtreng zuging. Zum Vermittler zwiſchen einem verdrie߬ lichen, taͤglich mehr ſich hypochondriſch quaͤ¬ lenden Hausherrn und einem zwar wohlwol¬ lenden aber ſehr ernſten und genauen Mili¬ taͤrgaſt, fand ſich gluͤcklicherweiſe ein behag¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/205
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/205>, abgerufen am 28.11.2024.