denklich und ahndungsvoll. Die Durchmär¬ sche der Franzosen war man zwar gewohnt, und sie ereigneten sich öfters und häufig, aber doch am häufigsten in den letzten Tagen des vergangenen Jahres. Nach alter reichs¬ städtischer Sitte posaunte der Thürmer des Hauptthurms so oft Truppen heranrückten, und an diesem Neujahrstage wollte er gar nicht aufhören, welches ein Zeichen war, daß größere Heereszüge von mehreren Seiten in Bewegung seyen. Wirklich zogen sie auch in größeren Massen an diesem Tage durch die Stadt; man lief, sie vorbeypassiren zu sehen. Sonst war man gewohnt, daß sie nur in kleinen Partieen durchmarschirten; diese aber vergrößerten sich nach und nach, ohne daß man es verhindern konnte oder wollte. Ge¬ nug, am 2ten Januar, nachdem eine Co¬ lonne durch Sachsenhausen über die Brücke durch die Fahrgasse bis an die Constabler¬ wache gelangt war, machte sie Halt, über¬ wältigte das kleine, sie durchführende Comman¬
denklich und ahndungsvoll. Die Durchmaͤr¬ ſche der Franzoſen war man zwar gewohnt, und ſie ereigneten ſich oͤfters und haͤufig, aber doch am haͤufigſten in den letzten Tagen des vergangenen Jahres. Nach alter reichs¬ ſtaͤdtiſcher Sitte poſaunte der Thuͤrmer des Hauptthurms ſo oft Truppen heranruͤckten, und an dieſem Neujahrstage wollte er gar nicht aufhoͤren, welches ein Zeichen war, daß groͤßere Heereszuͤge von mehreren Seiten in Bewegung ſeyen. Wirklich zogen ſie auch in groͤßeren Maſſen an dieſem Tage durch die Stadt; man lief, ſie vorbeypaſſiren zu ſehen. Sonſt war man gewohnt, daß ſie nur in kleinen Partieen durchmarſchirten; dieſe aber vergroͤßerten ſich nach und nach, ohne daß man es verhindern konnte oder wollte. Ge¬ nug, am 2ten Januar, nachdem eine Co¬ lonne durch Sachſenhauſen uͤber die Bruͤcke durch die Fahrgaſſe bis an die Conſtabler¬ wache gelangt war, machte ſie Halt, uͤber¬ waͤltigte das kleine, ſie durchfuͤhrende Comman¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0201"n="185"/>
denklich und ahndungsvoll. Die Durchmaͤr¬<lb/>ſche der Franzoſen war man zwar gewohnt,<lb/>
und ſie ereigneten ſich oͤfters und haͤufig,<lb/>
aber doch am haͤufigſten in den letzten Tagen<lb/>
des vergangenen Jahres. Nach alter reichs¬<lb/>ſtaͤdtiſcher Sitte poſaunte der Thuͤrmer des<lb/>
Hauptthurms ſo oft Truppen heranruͤckten,<lb/>
und an dieſem Neujahrstage wollte er gar<lb/>
nicht aufhoͤren, welches ein Zeichen war, daß<lb/>
groͤßere Heereszuͤge von mehreren Seiten in<lb/>
Bewegung ſeyen. Wirklich zogen ſie auch in<lb/>
groͤßeren Maſſen an dieſem Tage durch die<lb/>
Stadt; man lief, ſie vorbeypaſſiren zu ſehen.<lb/>
Sonſt war man gewohnt, daß ſie nur in<lb/>
kleinen Partieen durchmarſchirten; dieſe aber<lb/>
vergroͤßerten ſich nach und nach, ohne daß<lb/>
man es verhindern konnte oder wollte. Ge¬<lb/>
nug, am 2ten Januar, nachdem eine Co¬<lb/>
lonne durch Sachſenhauſen uͤber die Bruͤcke<lb/>
durch die Fahrgaſſe bis an die Conſtabler¬<lb/>
wache gelangt war, machte ſie Halt, uͤber¬<lb/>
waͤltigte das kleine, ſie durchfuͤhrende Comman¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[185/0201]
denklich und ahndungsvoll. Die Durchmaͤr¬
ſche der Franzoſen war man zwar gewohnt,
und ſie ereigneten ſich oͤfters und haͤufig,
aber doch am haͤufigſten in den letzten Tagen
des vergangenen Jahres. Nach alter reichs¬
ſtaͤdtiſcher Sitte poſaunte der Thuͤrmer des
Hauptthurms ſo oft Truppen heranruͤckten,
und an dieſem Neujahrstage wollte er gar
nicht aufhoͤren, welches ein Zeichen war, daß
groͤßere Heereszuͤge von mehreren Seiten in
Bewegung ſeyen. Wirklich zogen ſie auch in
groͤßeren Maſſen an dieſem Tage durch die
Stadt; man lief, ſie vorbeypaſſiren zu ſehen.
Sonſt war man gewohnt, daß ſie nur in
kleinen Partieen durchmarſchirten; dieſe aber
vergroͤßerten ſich nach und nach, ohne daß
man es verhindern konnte oder wollte. Ge¬
nug, am 2ten Januar, nachdem eine Co¬
lonne durch Sachſenhauſen uͤber die Bruͤcke
durch die Fahrgaſſe bis an die Conſtabler¬
wache gelangt war, machte ſie Halt, uͤber¬
waͤltigte das kleine, ſie durchfuͤhrende Comman¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/201>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.