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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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nicht zum Besten aufgenommen. Spottnamen
und seltsame, sich lang im Gedächtniß erhal¬
tende Mährchen sind meistens die Frucht ei¬
ner solchen Sonderbarkeit. Der Vater wohn¬
te an der Ecke der Hasengasse, die von dem
Zeichen des Hauses, das einen, wo nicht gar
drey Hasen vorstellt, den Namen führte.
Man nannte daher diese drey Brüder nur die
drey Hasen, welchen Spitznamen sie lange
Zeit nicht los wurden. Allein, wie große
Vorzüge sich oft in der Jugend durch etwas
Wunderliches und Unschickliches ankündigen,
so geschah es auch hier. Der älteste war
der nachher so rühmlich bekannte Reichs¬
hofrath von Senkenberg. Der zweyte
ward in den Magistrat aufgenommen und
zeigte vorzügliche Talente, die er aber auf
eine rabulistische, ja verruchte Weise, wo nicht
zum Schaden seiner Vaterstadt, doch we¬
nigstens seiner Collegen in der Folge mis¬
brauchte. Der dritte Bruder, ein Arzt und
ein Mann von großer Rechtschaffenheit, der

nicht zum Beſten aufgenommen. Spottnamen
und ſeltſame, ſich lang im Gedaͤchtniß erhal¬
tende Maͤhrchen ſind meiſtens die Frucht ei¬
ner ſolchen Sonderbarkeit. Der Vater wohn¬
te an der Ecke der Haſengaſſe, die von dem
Zeichen des Hauſes, das einen, wo nicht gar
drey Haſen vorſtellt, den Namen fuͤhrte.
Man nannte daher dieſe drey Bruͤder nur die
drey Haſen, welchen Spitznamen ſie lange
Zeit nicht los wurden. Allein, wie große
Vorzuͤge ſich oft in der Jugend durch etwas
Wunderliches und Unſchickliches ankuͤndigen,
ſo geſchah es auch hier. Der aͤlteſte war
der nachher ſo ruͤhmlich bekannte Reichs¬
hofrath von Senkenberg. Der zweyte
ward in den Magiſtrat aufgenommen und
zeigte vorzuͤgliche Talente, die er aber auf
eine rabuliſtiſche, ja verruchte Weiſe, wo nicht
zum Schaden ſeiner Vaterſtadt, doch we¬
nigſtens ſeiner Collegen in der Folge mis¬
brauchte. Der dritte Bruder, ein Arzt und
ein Mann von großer Rechtſchaffenheit, der

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[170/0186] nicht zum Beſten aufgenommen. Spottnamen und ſeltſame, ſich lang im Gedaͤchtniß erhal¬ tende Maͤhrchen ſind meiſtens die Frucht ei¬ ner ſolchen Sonderbarkeit. Der Vater wohn¬ te an der Ecke der Haſengaſſe, die von dem Zeichen des Hauſes, das einen, wo nicht gar drey Haſen vorſtellt, den Namen fuͤhrte. Man nannte daher dieſe drey Bruͤder nur die drey Haſen, welchen Spitznamen ſie lange Zeit nicht los wurden. Allein, wie große Vorzuͤge ſich oft in der Jugend durch etwas Wunderliches und Unſchickliches ankuͤndigen, ſo geſchah es auch hier. Der aͤlteſte war der nachher ſo ruͤhmlich bekannte Reichs¬ hofrath von Senkenberg. Der zweyte ward in den Magiſtrat aufgenommen und zeigte vorzuͤgliche Talente, die er aber auf eine rabuliſtiſche, ja verruchte Weiſe, wo nicht zum Schaden ſeiner Vaterſtadt, doch we¬ nigſtens ſeiner Collegen in der Folge mis¬ brauchte. Der dritte Bruder, ein Arzt und ein Mann von großer Rechtſchaffenheit, der

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/186>, abgerufen am 24.11.2024.