aber bemerken, welchen stärkeren Einfluß nach und nach die Kriegsbegebenheiten auf unsere Gesinnungen und unsre Lebensweise ausübten.
Der ruhige Bürger steht zu den großen Weltereignissen in einem wunderbaren Ver¬ hältniß. Schon aus der Ferne regen sie ihn auf und beunruhigen ihn, und er kann sich, selbst wenn sie ihn nicht berühren, eines Urtheils, einer Theilnahme nicht enthalten. Schnell ergreift er eine Partey, nachdem ihn sein Character oder äußere Anlässe bestimmen. Rücken so große Schicksale, so bedeutende Veränderungen näher, dann bleibt ihm bey manchen äußern Unbequemlichkeiten noch im¬ mer jenes innre Misbehagen, verdoppelt und schärft das Uebel meistentheils und zerstört das noch mögliche Gute. Dann hat er von Freunden und Feinden wirklich zu leiden, oft mehr von jenen als von diesen, und er weiß weder wie er seine Neigung, noch wie er seinen Vortheil wahren und erhalten soll.
aber bemerken, welchen ſtaͤrkeren Einfluß nach und nach die Kriegsbegebenheiten auf unſere Geſinnungen und unſre Lebensweiſe ausuͤbten.
Der ruhige Buͤrger ſteht zu den großen Weltereigniſſen in einem wunderbaren Ver¬ haͤltniß. Schon aus der Ferne regen ſie ihn auf und beunruhigen ihn, und er kann ſich, ſelbſt wenn ſie ihn nicht beruͤhren, eines Urtheils, einer Theilnahme nicht enthalten. Schnell ergreift er eine Partey, nachdem ihn ſein Character oder aͤußere Anlaͤſſe beſtimmen. Ruͤcken ſo große Schickſale, ſo bedeutende Veraͤnderungen naͤher, dann bleibt ihm bey manchen aͤußern Unbequemlichkeiten noch im¬ mer jenes innre Misbehagen, verdoppelt und ſchaͤrft das Uebel meiſtentheils und zerſtoͤrt das noch moͤgliche Gute. Dann hat er von Freunden und Feinden wirklich zu leiden, oft mehr von jenen als von dieſen, und er weiß weder wie er ſeine Neigung, noch wie er ſeinen Vortheil wahren und erhalten ſoll.
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aber bemerken, welchen ſtaͤrkeren Einfluß nach
und nach die Kriegsbegebenheiten auf unſere
Geſinnungen und unſre Lebensweiſe ausuͤbten.
Der ruhige Buͤrger ſteht zu den großen
Weltereigniſſen in einem wunderbaren Ver¬
haͤltniß. Schon aus der Ferne regen ſie
ihn auf und beunruhigen ihn, und er kann
ſich, ſelbſt wenn ſie ihn nicht beruͤhren, eines
Urtheils, einer Theilnahme nicht enthalten.
Schnell ergreift er eine Partey, nachdem ihn
ſein Character oder aͤußere Anlaͤſſe beſtimmen.
Ruͤcken ſo große Schickſale, ſo bedeutende
Veraͤnderungen naͤher, dann bleibt ihm bey
manchen aͤußern Unbequemlichkeiten noch im¬
mer jenes innre Misbehagen, verdoppelt und
ſchaͤrft das Uebel meiſtentheils und zerſtoͤrt
das noch moͤgliche Gute. Dann hat er von
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/173>, abgerufen am 23.11.2024.
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