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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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gegenüber stand. Ueber eine hohe Mauer
ragten die Aeste uralter Nußbäume herüber,
und bedeckten zum Theil das Gesimms, wo¬
mit sie endigte. Die Zweige reichten bis an
eine steinerne Tafel, deren verzierte Einfas¬
sung ich wohl erkennen, deren Inschrift ich
aber nicht lesen konnte. Sie ruhte auf dem
Kragstein einer Nische, in welcher ein künst¬
lich gearbeiteter Brunnen, von Schale zu
Schale, Wasser in ein großes Becken goß,
das wie einen kleinen Teich bildete und sich
in die Erde verlor. Brunnen, Inschrift,
Nußbäume, alles stand senkrecht übereinander;
ich wollte es malen, wie ich es gesehn habe.

Nun läßt sich wohl denken, wie ich diesen
Abend und manchen folgenden Tag zubrach¬
te, und wie oft ich mir diese Geschichten,
die ich kaum selbst glauben konnte, wieder¬
holte. Sobald mir's nur irgend möglich
war, ging ich wieder zur schlimmen Mauer,
um wenigstens jene Merkzeichen im Gedächt¬

gegenuͤber ſtand. Ueber eine hohe Mauer
ragten die Aeſte uralter Nußbaͤume heruͤber,
und bedeckten zum Theil das Geſimms, wo¬
mit ſie endigte. Die Zweige reichten bis an
eine ſteinerne Tafel, deren verzierte Einfaſ¬
ſung ich wohl erkennen, deren Inſchrift ich
aber nicht leſen konnte. Sie ruhte auf dem
Kragſtein einer Niſche, in welcher ein kuͤnſt¬
lich gearbeiteter Brunnen, von Schale zu
Schale, Waſſer in ein großes Becken goß,
das wie einen kleinen Teich bildete und ſich
in die Erde verlor. Brunnen, Inſchrift,
Nußbaͤume, alles ſtand ſenkrecht uͤbereinander;
ich wollte es malen, wie ich es geſehn habe.

Nun laͤßt ſich wohl denken, wie ich dieſen
Abend und manchen folgenden Tag zubrach¬
te, und wie oft ich mir dieſe Geſchichten,
die ich kaum ſelbſt glauben konnte, wieder¬
holte. Sobald mir's nur irgend moͤglich
war, ging ich wieder zur ſchlimmen Mauer,
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[136/0152] gegenuͤber ſtand. Ueber eine hohe Mauer ragten die Aeſte uralter Nußbaͤume heruͤber, und bedeckten zum Theil das Geſimms, wo¬ mit ſie endigte. Die Zweige reichten bis an eine ſteinerne Tafel, deren verzierte Einfaſ¬ ſung ich wohl erkennen, deren Inſchrift ich aber nicht leſen konnte. Sie ruhte auf dem Kragſtein einer Niſche, in welcher ein kuͤnſt¬ lich gearbeiteter Brunnen, von Schale zu Schale, Waſſer in ein großes Becken goß, das wie einen kleinen Teich bildete und ſich in die Erde verlor. Brunnen, Inſchrift, Nußbaͤume, alles ſtand ſenkrecht uͤbereinander; ich wollte es malen, wie ich es geſehn habe. Nun laͤßt ſich wohl denken, wie ich dieſen Abend und manchen folgenden Tag zubrach¬ te, und wie oft ich mir dieſe Geſchichten, die ich kaum ſelbſt glauben konnte, wieder¬ holte. Sobald mir's nur irgend moͤglich war, ging ich wieder zur ſchlimmen Mauer, um wenigſtens jene Merkzeichen im Gedaͤcht¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/152>, abgerufen am 22.11.2024.