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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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schlungen, die mir in der Ferne nicht deutlich
werden wollte. Ich kehrte mich daher etwas
hastig um, und fragte den Alten nach der
Nische so wie nach den Strickchen. Er,
ganz gefällig, holte eins herunter und zeigte
es mir. Es war eine grünseidene Schnur
von mäßiger Stärke, deren beyde Enden
durch ein zwiefach durchschnittenes grünes
Leder geschlungen, ihr das Ansehn gaben,
als sey es ein Werkzeug zu einem eben
nicht sehr erwünschten Gebrauch. Die Sache
schien mir bedenklich, und ich fragte den Alten
nach der Bedeutung. Er antwortete mir ganz
gelassen und gütig: es sey dieses für diejeni¬
gen, welche das Vertrauen misbrauchten,
das man ihnen hier zu schenken bereit sey.
Er hing die Schnur wieder an ihre Stelle
und verlangte sogleich, daß ich ihm folgen
solle: denn dießmal faßte er mich nicht an,
und so ging ich frey neben ihm her.

Meine größte Neugier war nunmehr, wo

ſchlungen, die mir in der Ferne nicht deutlich
werden wollte. Ich kehrte mich daher etwas
haſtig um, und fragte den Alten nach der
Niſche ſo wie nach den Strickchen. Er,
ganz gefaͤllig, holte eins herunter und zeigte
es mir. Es war eine gruͤnſeidene Schnur
von maͤßiger Staͤrke, deren beyde Enden
durch ein zwiefach durchſchnittenes gruͤnes
Leder geſchlungen, ihr das Anſehn gaben,
als ſey es ein Werkzeug zu einem eben
nicht ſehr erwuͤnſchten Gebrauch. Die Sache
ſchien mir bedenklich, und ich fragte den Alten
nach der Bedeutung. Er antwortete mir ganz
gelaſſen und guͤtig: es ſey dieſes fuͤr diejeni¬
gen, welche das Vertrauen misbrauchten,
das man ihnen hier zu ſchenken bereit ſey.
Er hing die Schnur wieder an ihre Stelle
und verlangte ſogleich, daß ich ihm folgen
ſolle: denn dießmal faßte er mich nicht an,
und ſo ging ich frey neben ihm her.

Meine groͤßte Neugier war nunmehr, wo

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[118/0134] ſchlungen, die mir in der Ferne nicht deutlich werden wollte. Ich kehrte mich daher etwas haſtig um, und fragte den Alten nach der Niſche ſo wie nach den Strickchen. Er, ganz gefaͤllig, holte eins herunter und zeigte es mir. Es war eine gruͤnſeidene Schnur von maͤßiger Staͤrke, deren beyde Enden durch ein zwiefach durchſchnittenes gruͤnes Leder geſchlungen, ihr das Anſehn gaben, als ſey es ein Werkzeug zu einem eben nicht ſehr erwuͤnſchten Gebrauch. Die Sache ſchien mir bedenklich, und ich fragte den Alten nach der Bedeutung. Er antwortete mir ganz gelaſſen und guͤtig: es ſey dieſes fuͤr diejeni¬ gen, welche das Vertrauen misbrauchten, das man ihnen hier zu ſchenken bereit ſey. Er hing die Schnur wieder an ihre Stelle und verlangte ſogleich, daß ich ihm folgen ſolle: denn dießmal faßte er mich nicht an, und ſo ging ich frey neben ihm her. Meine groͤßte Neugier war nunmehr, wo

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/134>, abgerufen am 24.11.2024.