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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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reichs der Kriegs-Schauplatz sich auch in un¬
sern Gegenden aufthun könne. Man hielt
uns Kinder mehr als bisher zu Hause, und
suchte uns auf mancherley Weise zu beschäfti¬
gen und zu unterhalten. Zu solchem Ende
hatte man das von der Großmutter hinter¬
lassene Puppenspiel wieder aufgestellt, und
zwar dergestalt eingerichtet, daß die Zuschauer
in meinem Giebelzimmer sitzen, die spielenden
und dirigirenden Personen aber, so wie das
Theater selbst vom Proscenium an, in einem
Nebenzimmer Platz und Raum fanden. Durch
die besondere Vergünstigung, bald diesen bald
jenen Knaben als Zuschauer einzulassen, er¬
warb ich mir anfangs viele Freunde; allein
die Unruhe, die in den Kindern steckt, ließ
sie nicht lange geduldige Zuschauer bleiben.
Sie störten das Spiel, und wir mußten uns
ein jüngeres Publicum aussuchen, das noch
allenfalls durch Ammen und Mägde in der
Ordnung gehalten werden konnte. Wir hat¬
ten das ursprüngliche Hauptdrama, worauf

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reichs der Kriegs-Schauplatz ſich auch in un¬
ſern Gegenden aufthun koͤnne. Man hielt
uns Kinder mehr als bisher zu Hauſe, und
ſuchte uns auf mancherley Weiſe zu beſchaͤfti¬
gen und zu unterhalten. Zu ſolchem Ende
hatte man das von der Großmutter hinter¬
laſſene Puppenſpiel wieder aufgeſtellt, und
zwar dergeſtalt eingerichtet, daß die Zuſchauer
in meinem Giebelzimmer ſitzen, die ſpielenden
und dirigirenden Perſonen aber, ſo wie das
Theater ſelbſt vom Proſcenium an, in einem
Nebenzimmer Platz und Raum fanden. Durch
die beſondere Verguͤnſtigung, bald dieſen bald
jenen Knaben als Zuſchauer einzulaſſen, er¬
warb ich mir anfangs viele Freunde; allein
die Unruhe, die in den Kindern ſteckt, ließ
ſie nicht lange geduldige Zuſchauer bleiben.
Sie ſtoͤrten das Spiel, und wir mußten uns
ein juͤngeres Publicum ausſuchen, das noch
allenfalls durch Ammen und Maͤgde in der
Ordnung gehalten werden konnte. Wir hat¬
ten das urſpruͤngliche Hauptdrama, worauf

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[99/0115] reichs der Kriegs-Schauplatz ſich auch in un¬ ſern Gegenden aufthun koͤnne. Man hielt uns Kinder mehr als bisher zu Hauſe, und ſuchte uns auf mancherley Weiſe zu beſchaͤfti¬ gen und zu unterhalten. Zu ſolchem Ende hatte man das von der Großmutter hinter¬ laſſene Puppenſpiel wieder aufgeſtellt, und zwar dergeſtalt eingerichtet, daß die Zuſchauer in meinem Giebelzimmer ſitzen, die ſpielenden und dirigirenden Perſonen aber, ſo wie das Theater ſelbſt vom Proſcenium an, in einem Nebenzimmer Platz und Raum fanden. Durch die beſondere Verguͤnſtigung, bald dieſen bald jenen Knaben als Zuſchauer einzulaſſen, er¬ warb ich mir anfangs viele Freunde; allein die Unruhe, die in den Kindern ſteckt, ließ ſie nicht lange geduldige Zuſchauer bleiben. Sie ſtoͤrten das Spiel, und wir mußten uns ein juͤngeres Publicum ausſuchen, das noch allenfalls durch Ammen und Maͤgde in der Ordnung gehalten werden konnte. Wir hat¬ ten das urſpruͤngliche Hauptdrama, worauf 7 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/115>, abgerufen am 24.11.2024.