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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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ungestört zu Hause der preußischen Siege,
welche gewöhnlich durch jene leidenschaftliche
Tante mit großem Jubel verkündigt wur¬
den. Alles andere Interesse mußte diesem
weichen, und wir brachten den Ueberrest des
Jahres in beständiger Agitation zu. Die
Besitznahme von Dresden, die anfängliche
Mäßigung des Königs, die zwar langsamen
aber sichern Fortschritte, der Sieg bey Lowo¬
sitz, die Gefangennehmung der Sachsen waren
für unsere Partey eben so viele Triumphe.
Alles was zum Vortheil der Gegner ange¬
führt werden konnte, wurde geläugnet oder
verkleinert, und da die entgegengesetzten Fami¬
lienglieder das Gleiche thaten; so konnten
sie einander nicht auf der Straße begegnen,
ohne daß es Händel setzte, wie in Romeo
und Julie.

Und so war ich denn auch Preußisch, oder
um richtiger zu reden, Fritzisch gesinnt: denn
was ging uns Preußen an. Es war die Per¬

ungeſtoͤrt zu Hauſe der preußiſchen Siege,
welche gewoͤhnlich durch jene leidenſchaftliche
Tante mit großem Jubel verkuͤndigt wur¬
den. Alles andere Intereſſe mußte dieſem
weichen, und wir brachten den Ueberreſt des
Jahres in beſtaͤndiger Agitation zu. Die
Beſitznahme von Dresden, die anfaͤngliche
Maͤßigung des Koͤnigs, die zwar langſamen
aber ſichern Fortſchritte, der Sieg bey Lowo¬
ſitz, die Gefangennehmung der Sachſen waren
fuͤr unſere Partey eben ſo viele Triumphe.
Alles was zum Vortheil der Gegner ange¬
fuͤhrt werden konnte, wurde gelaͤugnet oder
verkleinert, und da die entgegengeſetzten Fami¬
lienglieder das Gleiche thaten; ſo konnten
ſie einander nicht auf der Straße begegnen,
ohne daß es Haͤndel ſetzte, wie in Romeo
und Julie.

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um richtiger zu reden, Fritziſch geſinnt: denn
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[94/0110] ungeſtoͤrt zu Hauſe der preußiſchen Siege, welche gewoͤhnlich durch jene leidenſchaftliche Tante mit großem Jubel verkuͤndigt wur¬ den. Alles andere Intereſſe mußte dieſem weichen, und wir brachten den Ueberreſt des Jahres in beſtaͤndiger Agitation zu. Die Beſitznahme von Dresden, die anfaͤngliche Maͤßigung des Koͤnigs, die zwar langſamen aber ſichern Fortſchritte, der Sieg bey Lowo¬ ſitz, die Gefangennehmung der Sachſen waren fuͤr unſere Partey eben ſo viele Triumphe. Alles was zum Vortheil der Gegner ange¬ fuͤhrt werden konnte, wurde gelaͤugnet oder verkleinert, und da die entgegengeſetzten Fami¬ lienglieder das Gleiche thaten; ſo konnten ſie einander nicht auf der Straße begegnen, ohne daß es Haͤndel ſetzte, wie in Romeo und Julie. Und ſo war ich denn auch Preußiſch, oder um richtiger zu reden, Fritziſch geſinnt: denn was ging uns Preußen an. Es war die Per¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/110>, abgerufen am 24.11.2024.