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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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war nun die Schwierigkeit. Der Vater hatte
einen schönen rothlackirten goldgeblümten Mu¬
sikpult, in Gestalt einer vierseitigen Pyrami¬
de mit verschiedenen Abstufungen, den man
zu Quartetten sehr bequem fand, ob er gleich
in der letzten Zeit nur wenig gebraucht wurde.
Dessen bemächtigte sich der Knabe, und baute nun
stufenweise die Abgeordneten der Natur über¬
einander, so daß es recht heiter und zugleich
bedeutend genug aussah. Nun sollte bey ei¬
nem frühen Sonnenaufgang die erste Gottes¬
verehrung angestellt werden; nur war der
junge Priester nicht mit sich einig, auf welche
Weise er eine Flamme hervorbringen sollte,
die doch auch zu gleicher Zeit einen guten Ge¬
ruch von sich geben müsse. Endlich gelang
ihm ein Einfall, beydes zu verbinden, indem
er Räucherkerzchen besaß, welche wo nicht
flammend doch glimmend den angenehmsten
Geruch verbreiteten. Ja dieses gelinde Ver¬
brennen und Verdampfen schien noch mehr
das was im Gemüthe vorgeht auszudrücken,

war nun die Schwierigkeit. Der Vater hatte
einen ſchoͤnen rothlackirten goldgebluͤmten Mu¬
ſikpult, in Geſtalt einer vierſeitigen Pyrami¬
de mit verſchiedenen Abſtufungen, den man
zu Quartetten ſehr bequem fand, ob er gleich
in der letzten Zeit nur wenig gebraucht wurde.
Deſſen bemaͤchtigte ſich der Knabe, und baute nun
ſtufenweiſe die Abgeordneten der Natur uͤber¬
einander, ſo daß es recht heiter und zugleich
bedeutend genug ausſah. Nun ſollte bey ei¬
nem fruͤhen Sonnenaufgang die erſte Gottes¬
verehrung angeſtellt werden; nur war der
junge Prieſter nicht mit ſich einig, auf welche
Weiſe er eine Flamme hervorbringen ſollte,
die doch auch zu gleicher Zeit einen guten Ge¬
ruch von ſich geben muͤſſe. Endlich gelang
ihm ein Einfall, beydes zu verbinden, indem
er Raͤucherkerzchen beſaß, welche wo nicht
flammend doch glimmend den angenehmſten
Geruch verbreiteten. Ja dieſes gelinde Ver¬
brennen und Verdampfen ſchien noch mehr
das was im Gemuͤthe vorgeht auszudruͤcken,

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[86/0102] war nun die Schwierigkeit. Der Vater hatte einen ſchoͤnen rothlackirten goldgebluͤmten Mu¬ ſikpult, in Geſtalt einer vierſeitigen Pyrami¬ de mit verſchiedenen Abſtufungen, den man zu Quartetten ſehr bequem fand, ob er gleich in der letzten Zeit nur wenig gebraucht wurde. Deſſen bemaͤchtigte ſich der Knabe, und baute nun ſtufenweiſe die Abgeordneten der Natur uͤber¬ einander, ſo daß es recht heiter und zugleich bedeutend genug ausſah. Nun ſollte bey ei¬ nem fruͤhen Sonnenaufgang die erſte Gottes¬ verehrung angeſtellt werden; nur war der junge Prieſter nicht mit ſich einig, auf welche Weiſe er eine Flamme hervorbringen ſollte, die doch auch zu gleicher Zeit einen guten Ge¬ ruch von ſich geben muͤſſe. Endlich gelang ihm ein Einfall, beydes zu verbinden, indem er Raͤucherkerzchen beſaß, welche wo nicht flammend doch glimmend den angenehmſten Geruch verbreiteten. Ja dieſes gelinde Ver¬ brennen und Verdampfen ſchien noch mehr das was im Gemuͤthe vorgeht auszudruͤcken,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/102>, abgerufen am 22.11.2024.