Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.Ein Schauspiel. Orest. Mit seltner Kunst flichst du der Götter Rath Und deine Wünsche klug in eins zusammen. Pylades. Was ist des Menschen Klugheit, wenn sie nicht Auf Jener Willen droben achtend lauscht? Zu einer schweren That beruft ein Gott Den edlen Mann, der viel verbrach, und legt Ihm auf was uns unmöglich scheint zu enden. Es siegt der Held, und büßend dienet er Den Göttern und der Welt, die ihn verehrt. Orest. Bin ich bestimmt, zu leben und zu handeln; So nehm' ein Gott von meiner schweren Stirn Den Schwindel weg, der auf dem schlüpfrigen, Mit Mutterblut besprengten Pfade f[o]rt Mich zu den Todten reißt. Er trockne gnädig Die Quelle, die, mir aus der Mutter Wunden Entgegen sprudelnd, ewig mich befleckt. Pylades. Erwart' es ruhiger! Du mehrst das Übel Und nimmst das Amt der Furien auf dich. Ein Schauſpiel. Oreſt. Mit ſeltner Kunſt flichſt du der Götter Rath Und deine Wünſche klug in eins zuſammen. Pylades. Was iſt des Menſchen Klugheit, wenn ſie nicht Auf Jener Willen droben achtend lauſcht? Zu einer ſchweren That beruft ein Gott Den edlen Mann, der viel verbrach, und legt Ihm auf was uns unmöglich ſcheint zu enden. Es ſiegt der Held, und büßend dienet er Den Göttern und der Welt, die ihn verehrt. Oreſt. Bin ich beſtimmt, zu leben und zu handeln; So nehm’ ein Gott von meiner ſchweren Stirn Den Schwindel weg, der auf dem ſchlüpfrigen, Mit Mutterblut beſprengten Pfade f[o]rt Mich zu den Todten reißt. Er trockne gnädig Die Quelle, die, mir aus der Mutter Wunden Entgegen ſprudelnd, ewig mich befleckt. Pylades. Erwart’ es ruhiger! Du mehrſt das Übel Und nimmſt das Amt der Furien auf dich. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0054" n="45"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schauſpiel</hi>.</fw><lb/> <sp who="#ORE"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Oreſt</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Mit ſeltner Kunſt flichſt du der Götter Rath<lb/> Und deine Wünſche klug in eins zuſammen.</p> </sp><lb/> <sp who="#PYL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Pylades</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Was iſt des Menſchen Klugheit, wenn ſie nicht<lb/> Auf Jener Willen droben achtend lauſcht?<lb/> Zu einer ſchweren That beruft ein Gott<lb/> Den edlen Mann, der viel verbrach, und legt<lb/> Ihm auf was uns unmöglich ſcheint zu enden.<lb/> Es ſiegt der Held, und büßend dienet er<lb/> Den Göttern und der Welt, die ihn verehrt.</p> </sp><lb/> <sp who="#ORE"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Oreſt</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Bin ich beſtimmt, zu leben und zu handeln;<lb/> So nehm’ ein Gott von meiner ſchweren Stirn<lb/> Den Schwindel weg, der auf dem ſchlüpfrigen,<lb/> Mit Mutterblut beſprengten Pfade f<supplied>o</supplied>rt<lb/> Mich zu den Todten reißt. Er trockne gnädig<lb/> Die Quelle, die, mir aus der Mutter Wunden<lb/> Entgegen ſprudelnd, ewig mich befleckt.</p> </sp><lb/> <sp who="#PYL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Pylades</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Erwart’ es ruhiger! Du mehrſt das Übel<lb/> Und nimmſt das Amt der Furien auf dich.<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0054]
Ein Schauſpiel.
Oreſt.
Mit ſeltner Kunſt flichſt du der Götter Rath
Und deine Wünſche klug in eins zuſammen.
Pylades.
Was iſt des Menſchen Klugheit, wenn ſie nicht
Auf Jener Willen droben achtend lauſcht?
Zu einer ſchweren That beruft ein Gott
Den edlen Mann, der viel verbrach, und legt
Ihm auf was uns unmöglich ſcheint zu enden.
Es ſiegt der Held, und büßend dienet er
Den Göttern und der Welt, die ihn verehrt.
Oreſt.
Bin ich beſtimmt, zu leben und zu handeln;
So nehm’ ein Gott von meiner ſchweren Stirn
Den Schwindel weg, der auf dem ſchlüpfrigen,
Mit Mutterblut beſprengten Pfade fort
Mich zu den Todten reißt. Er trockne gnädig
Die Quelle, die, mir aus der Mutter Wunden
Entgegen ſprudelnd, ewig mich befleckt.
Pylades.
Erwart’ es ruhiger! Du mehrſt das Übel
Und nimmſt das Amt der Furien auf dich.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/54>, abgerufen am 07.07.2024. |